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Oh Gott!

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Von: Michael Hesse

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Gott seinen Job bei Google gekündigt.
Gott seinen Job bei Google gekündigt. © Sergey Nivens/Imago

Der Vater der künstlichen Intelligenz schmeißt seinen Job hin, weil „sich das Zeug so schnell entwickelt“. Was das wohl bedeuten mag?

Nun ist auch Gott gegen die KI. Das hatte der künstlichen Intelligenz gerade noch gefehlt. Sie würde sich ohnedies wundern angesichts der hitzig geführten Debatten über ihre Fortschritte. War es bislang eher ein Auf und Ab gewesen zwischen himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, so ist doch diesmal Licht (so etwas wie das Licht der Vernunft) am Ende des Tunnels erkennbar. Die KI könne zwar nicht denken wie der Mensch, der die Vernunft ja laut Mephistopheles ohnedies nur gebraucht, „um tierischer als jedes Tier zu sein“, aber ihre Prozesse seien nunmehr so leistungsfähig, dass sie dem menschlichen Gehirn in einigen Bereichen überlegen seien. Und das gefiel Gott überhaupt nicht. Selbstverständlich ist hier nicht die Rede vom ens perfectissimum, dem allervollkommensten Wesen, das uns stets verborgen bleibt angesichts seiner Allmacht, seines Allwissens und seiner Allgüte.

Nicht um den Gott der Religionen geht es hier also, sondern um den Gott der KI. Und der heißt Geoffrey Hinton und ist Brite. Hinton verfolgt die Entwicklung der KI schon seit einigen Jahrzehnten. Er kennt die großen Hoffnungen, die man in die Technologie in den siebziger Jahren setzte, und er weiß, wie es sich anfühlt, wenn das Interesse mit einem Male wieder weg ist, weil die KI nicht das hielt, was sie versprach. Diesmal ist es anders.

Hinton ist ein Pionier der KI. Er und zwei seiner Doktoranden von der Universität Toronto sind für die intellektuellen Grundlagen der KI-Systeme verantwortlich. Hinton erhielt dafür den Turing-Award, eine Art „Nobelpreis für Informatik“. Er schuf die Basis für den Glauben der größten Unternehmen der Technologiebranche, nun den Schlüssel für die Zukunft in der Hand zu halten. Weil er so bedeutend ist und eben als Gott der KI gilt, wurde er von Google verpflichtet. Doch Anfang der Woche hat Gott seinen Job bei Google gekündigt. Der Grund: Er will sich frei über die Risiken der KI äußern können. „Wer hätte gedacht, dass das Zeug sich so schnell entwickelt“, faucht der Mann, der sich vom Pionier zum Schwarzmaler gewandelt hat. Die Menschheit steuere auf eine ungeheure Gefahr zu, warnt er.

Hinton ist sich dabei bewusst, dass er ja einer der Hauptverantwortlichen ist. „Ich tröste mich mit der üblichen Ausrede: Wenn ich es nicht getan hätte, dann ein anderer“, sagt er dazu. Nun ja. Man habe etwas Gefährliches in die freie Wildbahn entlassen. Es sei nur schwer vorstellbar, „wie man verhindern kann, dass böse Akteure sie für schlechte Zwecke einsetzen werden“, lautet seine Erkenntnis, die man ja durchaus schon in den 1980er Jahren hätte haben können. Hinton, das sei zu seiner Verteidung gesagt, war jedoch stets ein großer Gegner des Einsatzes von künstlicher Intelligenz etwa auf dem Schlachtfeld. Der Gedanke von Robotersoldaten war ihm zuwider. Nun könnte die KI das Internet mit Falschinformationen überfluten, fürchtet er. Und auch den Arbeitsmarkt ruinieren.

Gottseidank kann man da nur sagen, dass Hinton nun das offene Wort führt - um sogleich ein Oh Gott! hinterherzurufen: Es scheint wirklich düster auszusehen.

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