Leipzig

Vorzüglich gelaufen, die Leipziger Buchmesse. Es wurde gequasselt und gedrängelt. Und Hände gedrückt, wenn auch etwas schüchtern.
Wenn Kulturstaatsministerin Claudia Roth, wenn überhaupt irgendjemand jetzt noch ein einziges Mal sagt, wie wunderbar es ist, dass endlich wieder eine Leipziger Buchmesse stattgefunden hat, dann wird unsereiner doch noch einen Schreianfall bekommen. Dabei war es tatsächlich wunderbar, dass die Leipziger Buchmesse wieder stattgefunden hat. Auch stimmt es, wie überall betont wird, dass es eine entspannte und gutgelaunte Veranstaltung war. Vieles, was viele Menschen leid waren, waren sie drei Jahre später nicht mehr leid. Das Gedränge (der insgesamt 274 000 Besucherinnen und Besucher, alle Hoffnungen der gebeutelten Messe damit erfüllt) u nd erst recht das ganze Gequassel.
D as Gedränge in den Röhren, bei dem man immer aufpassen muss, nicht mit einem Einhorn oder einem am Kopf befestigten Axtstiel zu kollidieren. Am Kopf befestigt im Sinne von: Es sieht so aus, als steckte das Blatt der Axt im Kopf der Person. Die Verkleidungen sind auf der Leipziger Buchmesse als integraler Bestandteil des Geschehens ausgesprochen beliebt. Na ja, integral. Jedenfalls ist es rührend, die verkleideten Menschen geduldig auf den Einlass warten zu sehen, Monster und Mangamädchen, Plüschmischwesen und füllige Henker aus dem Mittelalter.
Dazu das ganze Gequassel über alles Mögliche, man selbst quasselt ärgerlicherweise am meisten und total uninteressantes Zeug. Und vieles, was die anderen quasseln, ist zwar interessant, aber man merkt es sich dann eh wieder nicht. Oder ist den anderen im entscheidenden Augenblick ins Wort gefallen. Dennoch: Ein Tonfall sagt mehr als zehn E-Mails.
Denn diesmal war das meiste angenehm, um nicht zu sagen: wunderbar. Prickelnd auch der etwaige Händedruck. Das höfliche Abwarten, zum Teil das Ausbleiben, zum Teil eine Offensive, die zu einem Körperkontakt führte, der einem in den vergangenen drei Jahren fremd geworden ist. Eine gute Gelegenheit, einmal wieder eine der besten Szenen aus Stephan Thomes Roman „Gott der Barbaren“ (Suhrkamp, lieferbar) zu zitieren. Ein Westler bei einem Termin in China, Mitte des 19. Jahrhunderts. „Ohne Vorwarnung streckte er die rechte Hand aus, als zöge er eine Waffe. Der General zuckte zurück und musste sich an der Lehne seines Stuhls abstützen. ,Was hat er jetzt vor?‘, fragte er erschrocken. ,Nimm die Hand‘, sagte Mushun.“ Kam einem früher bizarrer vor.
Ein Kollege erzählte von der Arbeit in einem neubezogenen Großraumbüro. Es sei so hellhörig, dass die Beschäftigten gebeten worden seien, doch besser Nachrichten zu schreiben als miteinander zu sprechen, selbst wenn die betreffende Person direkt gegenübersitze. Da kann man auch einen Schreianfall bekommen, dies nur unter uns gesagt.