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Krokodil

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Von: Judith von Sternburg

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Ist das Dahls besagtes Krokodil? Dabei sieht es so unschuldig aus...
Ist das Dahls besagtes Krokodil? Dabei sieht es so unschuldig aus... © Jonas Walzberg/dpa

Als hätte er’s geahnt: Kinderbuchautor Roald Dahl drohte denen, die dereinst in seine Texte eingreifen würden, grausige Rache an.

Noch einmal kurz zurück zu Roald Dahl, Roald-„Selbst der Fiesling Hitler hat nicht grundlos auf den Juden herumgehackt“-Dahl, um seinen bekanntesten, aber nicht einzigen antisemitischen Satz doch einmal kurz zu zitieren. Auch wenn das nichts zur Sache tut, um die es hier geht. Es sind keine antisemitischen Spuren, die der englische Puffin Verlag aus Dahls Kinderbüchern entfernt hat, es soll dort auch gar keine geben, wie Dahl-Exegeten und -Exegetinnen versichern. Es geht stattdessen um Wörter wie fat und female. Female? Dies betrifft eine innerenglischsprachige Diskussion darüber, ob das Wort woman als weniger biologisch orientierte Kategorisierung zu bevorzugen sei (woman ist ein Substantiv, female auch ein Adjektiv, guter Wille gehört dazu). Umgekehrt muss man Dahls Texte schon sehr gut kennen, um zu merken, dass Miss Trunchbull in „Matilda“ nicht mehr eine „most formidable female“, sondern eine „most formidable woman“ ist.

Zugleich ist es offensichtlich indiskutabel, einen literarischen Text umzuschreiben, weil er einem taktlos vorkommt oder von vorgestern. Entsprechend wurde der Verlag von aller Welt in den Senkel gestellt und kündigte Ende vergangener Woche an, Dahls Kinderbücher nun sowohl in den zensierten als auch den unzensierten Fassungen zu drucken.

Wer persönlich Roald Dahl nach ein paar mit garstigen Pointen versetzten Kurzgeschichten für Erwachsene beiseitegelegt hat und lieber die Bücher von Andreas Steinhöfel verschenkt, wird es dabei bewenden lassen (Steinhöfel seinerseits hat u. a. „Matilda“ in taufrisches Deutsch gebracht, ein Vorteil der Übersetzung gegenüber dem alternden Original).

Aber diesmal gibt es eine echt lustige Pointe. Am Wochenende berichtete der „Guardian“ von einem Gespräch, das Dahl 1982 mit dem Maler Francis Bacon führte. Bacons Freund Barry Joule durfte mitschneiden und fertigte eine Transkription an, bevor das Band wie alle Bänder dieser Welt kaputtging. Das weinselige Gespräch kam auch auf mögliche Umarbeitungen. Dahl regte sich auf und drohte: Denen, die ein Wort bei ihm änderten, werde er vom Grab aus ein riesengroßes Krokodil auf den Hals schicken, damit es sie verschlinge – eine Anspielung auf „Das riesengroße Krokodil“, in dem seit neuestem übrigens nicht mehr „little boys and girls“ gefressen werden, sondern „little children“.

Vielleicht ist es besser, unterschiedlich temperiert über Kinderbuchkrokodile und ihren Appetit auf zarte Erwachsene zu lachen und dann „Rico, Oskar und das Mistverständnis“ zu lesen.

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