Krieg 63

Wann werden sie einsehen, dass sie von Blinden geführt werden? Der Krieg und die Punkband-Texte.
Die Narren führten die Narren an, auch das hatte die britische Punkband Ruts DC damals gesungen, als es noch um andere Kriege ging, aber immer gegen den Krieg. „The fools lead the fools.“ Die Reichen folgten den Reichen, sang die Band, und die Armen jagten ihren Träumen nach. Millionen lernten zu hassen, weil immer irgendjemand der Diktator sein wollte.
42 Jahre später wurde in dem Land, aus dem die Punkband kam, in jenem ehemals ruhmreichen Land ein neuer König gekrönt. Man konnte nicht sagen, dass dieser König ein Narr war. Er hatte durchaus einen Sinn für soziale Fragen und besonders für die Umweltproblematik, die die Welt im Klammergriff hielt. Er stand auch nicht im Verdacht, seine Gattin demnächst enthaupten zu lassen, wie es in dieser Position zu früheren Zeiten durchaus vorgekommen war. Er war nicht der Narr, der die Narren führte. Ein König dieses Landes führte ohnehin schon lange niemanden mehr außerhalb seiner Paläste.
Und doch mischte sich in die weltweiten Huldigungen, in das weltweite Ah und Oh ein vernehmbarer Protest. Es ging vielen um die Kosten, die das Krönungsspektakel verschlang, eine unvorstellbare Summe, es ging um all den Prunk, es ging um das Brimborium, das für eine einzelne Person veranstaltet wurde, während so viele andere Personen mit fast nichts auskommen mussten. Es ging um die Verhältnismäßigkeit.
Die Fernsehbilder zeigten jubelnde Menschenmengen, als die einzelne Person in einer großen Kirche vergöttert wurde. Doch sie zeigten auch den Protest.
63 Wochen Krieg, nein, immer noch acht Jahre und 63 Wochen, und was war der Unterschied in der Götzenverehrung dort und hier? Keine große Denkaufgabe, das auf den Punkt zu bringen. Hier, in dem ehemals ruhmreichen Land mit der Krone, durften die Menschen den König feiern – sie durften ihn aber auch kritisieren. Wer ihn kritisierte, wurde angehört und ernst genommen.
Dort, in dem anderen ehemals ruhmreichen Land, ohne Krone, dafür mit Panzern, durften die Menschen fast zur gleichen Zeit ebenfalls in Massen den Götzen verehren. Feiern durften sie ihn. Aber wer ihn kritisierte, etwa dafür, dass er seit 63 Wochen das Nachbarland mit einem barbarischen Krieg quälte und zuließ, dass seine Soldaten entsetzliches Leid über die Menschen brachten – wer ihm diesen Vorwurf machte, wurde nicht ernst, sondern festgenommen. Für den war es vorbei mit dem erträglichen Leben. Vielleicht vorbei mit dem Leben.
Wann werden sie einsehen, dass sie von den Blinden geführt werden?, sang die Punkband und meinte die Menschen in viel zu vielen Ländern: Es ist eure Freiheit, um die es geht.