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Times mager
Krieg 62
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Ein Lied von Ruts DC: Keine Zeit zum Töten, wir haben keine Zeit zum Töten, sang die Band.
Wenn nichts mehr sicher war, musste man andere Lösungen suchen. Wenn alles festgefahren war, musste man neue Wege finden. Wenn sonst nichts half, brauchte es Einfälle. Wenn Gewalt immer mehr Gewalt und wieder neue Gewalt und noch mehr Gewalt hervorrief, gab es nur eine Perspektive: weniger Aggression, weniger Kampf. Warum mussten Tausende sterben für die abstrusen Ideen einzelner Männer mit zu viel Macht?
62 Wochen Krieg, nein, wie wir wissen: Acht Jahre und 62 Wochen Krieg, und es war eigentlich ganz simpel. Wenn der Anführer des riesengroßen Landes unbedingt den Kampf wollte, warum schickte er dann all die Leute in den grausamen Krieg, die seinem Willen unterworfen waren? Warum kämpfte er dann nicht einfach selbst?
Ein Boxkampf könnte doch die ganze Angelegenheit regeln. Kein massenhaftes Töten und Vergewaltigen, kein sinnloses Sterben. Ein Mann gegen einen Mann. Der Anführer des riesengroßen Landes gegen den Bürgermeister von Kiew. Vier Fäuste. Faire Sache. Der Verlierer zöge sich und seine Leute endlich dahin zurück, wo sie hingehörten, denn darüber, wer diesen Kampf gewinnen würde, konnte überhaupt keine Unklarheit bestehen. Das wusste auch der kleine Mann aus dem riesengroßen Land. Deshalb schickte er ja die Anderen zum Kämpfen und zum Sterben.
Es war doch gar keine Zeit zum Kämpfen. Keine Zeit zum Töten. Noch nie war Zeit zum Töten gewesen. Zehn Jahre nach John Lennons Friedenshymne „Imagine“ hatte in England die Punkband Ruts DC ihren Titel „No Time To Kill“ aufgenommen. „Ich schreie innerlich, aber niemand hört mich“, hieß es darin. „Das Kämpfen dauert an für wie viele weitere Jahre. Kriege, die auf Eifersucht, Wut und Gier fußen. Besessen von Zerstörung – sie dürfen nicht gewinnen.“
Keine Zeit zum Töten, wir haben keine Zeit zum Töten, sang die Band, die immer noch auf Tour war, auch 45 Jahre nach ihrer Gründung, um zwei verstorbene Mitglieder ärmer. „Wie viele mussten fallen für den Stolz der Wenigen?“, fragten sie. „Tote unbekannte Soldaten, denen man gesagt hatte, was sie tun sollten. Für dein Land zu sterben, sei eine Ehre, heißt es. Sein Leben zu verlieren ist die eine Sache, aber gib es nicht einfach weg. Gesichtslose Helden, die tödliche Spiele spielen. Keine Zeit, Leben zu vergeuden. Keine Zeit zum Töten.“
In allen Ländern gab es solche Lieder. Die meisten Staatenlenker und besonders die Staatenlenkerinnen hörten inzwischen darauf. In die Auslaufrille der alten Schallplatte, das wurde dem Musikhörer erst jetzt klar, nach all den Jahren, war etwas eingraviert: „Beware“. Nimm dich in Acht.