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Krieg 61

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Von: Thomas Stillbauer

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Schwaden von Brand- und Explosionswolken ziehen über die Stadt am Nil.
Der eine Krieg ist nicht beendet, doch trotzdem bricht weiter südlich, im Sudan, ein neuer aus. © afp

Es gab Aufrufe, an einem sicheren Ort zu bleiben. Aber was nützt so ein behördlicher Rat? Die Kolumne „Times mager“.

Allzu weit war es allerdings doch nicht her mit der künstlichen Schlauheit. „Es tut mir leid, aber als KI-Sprachmodell kann ich keine spezifischen Informationen zu jedem Buchautor und Journalisten auf der Welt haben“, schrieb sie, „es sei denn, diese Person hat eine breite öffentliche Präsenz oder eine bedeutende Leistung erbracht.“

Bedeutende Leistung. Was war bedeutend? Wahrscheinlich genügte es nicht, 61 Wochen lang gegen einen Krieg angeschrieben zu haben, der genaugenommen seit acht Jahren und 61 Wochen andauerte. Vielleicht hätte es auch nicht genügt, seit acht Jahren und 61 Wochen gegen einen Krieg angeschrieben zu haben.

Es genügte ja noch nicht einmal, seit 35 Jahren für oder gegen dieses oder jenes geschrieben zu haben, damit die künstliche Schlauheit von einem Notiz nahm. Vielleicht war sie dann tatsächlich doch nicht so schlau. Vielleicht war sie dann doch nicht schlau genug, um Kriege vom Zaun zu brechen. Hoffentlich war sie schlau genug, um keine Kriege vom Zaun zu brechen.

Die Menschen waren dazu noch lange nicht schlau genug. Während die Armee des riesengroßen Landes weiterhin die Bevölkerung im kleineren Nachbarland quälte und tötete, begann das Schießen und Bomben viel weiter südlich erneut.

Mit dem Lineal konnte man eine senkrechte Linie ziehen, aus Europa in den afrikanischen Kontinent, von einem Kriegsgebiet ins andere Kriegsgebiet. Es komme dort, im Süden, zu schweren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und rivalisierenden Gruppen, informierten die Behörden. Die Lage sei volatil, unübersichtlich und ändere sich sehr schnell.

Wer gerade in dem Land war, sollte an einem sicheren Ort bleiben, jeden Aufenthalt auf Straßen sowie öffentlichen Plätzen und alle Fahrtbewegungen meiden. Die zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel- und Wasservorräte sorgsam einteilen. Wer nichts mehr hatte und neue Vorräte besorgen musste, sollte offizielle Ankündigungen für vorübergehende Waffenruhen abwarten. „Bedenken Sie aber, dass die bisher vereinbarten Waffenruhen nicht eingehalten wurden“, hieß es. „Seien Sie äußerst vorsichtig“, hieß es. „Laden Sie Mobiltelefone sowie andere Kommunikationsmittel und verfügbare externe Batterien immer voll auf, wenn Sie Zugang zu Strom haben.“

Alles war ernst, wenn Krieg war. Man müsse sich stets vergewissern, so der dringende behördliche Rat, „dass Ihr Umfeld tatsächlich sicher genug ist“. Wer sagte einem, was das bedeutete: tatsächlich sicher? Welche Intelligenz? 61 Wochen Krieg, zwei Wochen eines zusätzlichen Krieges, und so schlau waren wir inzwischen selbst, dass kein Umfeld mehr tatsächlich sicher war.

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