Beni, Matthias, Joshi und Eike von der Punkband ZSK bei einer Großdemonstration für eine solidarische und gerechte Gesellschaft im September 2021 in Berlin.
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Beni, Matthias, Joshi und Eike von der Punkband ZSK bei einer Großdemonstration für eine solidarische und gerechte Gesellschaft im September 2021 in Berlin.

Times mager

Krieg 50

  • Thomas Stillbauer
    VonThomas Stillbauer
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Die Berliner Punkband ZSK auf ihrem Weg, um in der Ukraine Menschen zu helfen.

Für ein Aufatmen hatte niemand einen Grund. Für ein kurzes Aufhellen? Manche, vielleicht. Aus Berlin kam Nachricht von Joshi. Hannes sei gerade wieder unterwegs gen Osten, Hilfsgüter bringen. 50 Wochen Krieg, nein, acht Jahre und 50 Wochen, und Hannes aus der Crew der Berliner Punkband ZSK fuhr unermüdlich hin und her und hin und her, den Menschen helfen, die Menschen retten. Und die Band half mit all ihrer Energie.

Doch der Zufall wollte, dass Joshi, Matthias, Eike, Beni, Niki, Flori und hoffentlich auch Hannes kurz nach ihrem unverhofften Auftauchen im Feuilleton auch in der Stadt auftauchen würden, die dieses Feuilleton hervorbrachte. Und sie luden die nicht nur für Beatles-Jubiläen, sondern auch für ehrlichen, richtigrummen Punkrock zuständige FR-Schreibstube zum ZSK-Konzert ein.

Ein weiterer Zufall wollte, dass ebenjene FR-Abteilung just zum Konzerttermin glimpflich hinter sich gebracht haben würde, wovor sie sich drei Jahre lang gehütet und was sie, also ihn, drei Jahre lang davon abgehalten hatte, Konzerte in geschlossenen Räumen zu besuchen. Wenn das kein guter Grund für ein kurzes Aufhellen war, dann wussten wir nicht, was ein guter Grund für ein kurzes Aufhellen war.

Ein allzu kurzes Aufhellen. Anderswo stürzten Häuser ein, Menschen wurden lebendig begraben, auch ohne dass jemand auf die Häuser schoss, allein dadurch, dass die Erde bebte. Das hielt jedoch die Mächtigen in dem riesigen Land nicht davon ab, weiter auf Häuser zu schießen und Menschen lebendig zu begraben, die ihnen nichts, aber auch gar nichts getan hatten. Kaum zu ertragen, wie schon so lange, der Gedanke daran, was andere Menschen ertrugen. Die Vorstellung, dass sie in den Trümmern lagen, nachts, Minusgrade, Schnee, Eis, ließ einen weiteren Wolfgang-Borchert-Moment entstehen.

50 Wochen Krieg, fünfzig, und noch etwas machte die Runde: Würden wir uns selbst verteidigen müssen? Uns selbst verteidigen können? War uns, was es zu verteidigen galt, wichtig genug, um unsere Leben zu riskieren? Uns allen? Waren wir von dem, was aus diesem Staat geworden war, so überzeugt, dass wir es mit Händen und Füßen und Klauen und Zähnen verteidigen würden?

Waren die Menschen in dem überfallenen Land so davon überzeugt gewesen, ehe es überfallen wurde? Sie hatten ihre Überzeugung aufgebaut, mindestens in acht, eher in den gut dreißig Jahren seit ihrer formalen Unabhängigkeit. Wir aber kannten uns mit dem Verteidigen nicht so gut aus. Wir waren das Angreifen gewohnt aus alter Zeit. Da hatte man nicht so viel darüber nachgedacht, was man besaß. Da hatte man eigentlich gar nicht viel nachgedacht.

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