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Kolonialware

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Von: Stephan Hebel

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Weißer Mann – ohne kolonialen Hintergrund – mit Hang zu Untergangsrhetorik: der Philosoph Peter Sloterdijk.
Weißer Mann – ohne kolonialen Hintergrund – mit Hang zu Untergangsrhetorik: der Philosoph Peter Sloterdijk. © Roland Schlager/dpa

Wenn Peter Sloterdijk auf die „Peripherie“ schaut, wird es auf einmal ganz übersichtlich. Die Kolumne Times mager.

Der Geburtstag ist schon ein paar Tage her, er war am vergangenen Sonntag, aber trotz Verspätung sollen auch an dieser Stelle die herzlichsten Glückwünsche zum 75. nicht fehlen. Peter Sloterdijk nimmt sie sicher noch gern entgegen, auch wenn vermutet werden darf, dass dem Schriftsteller-Philosophen, sprichwörtlich bescheiden wie er ist, die Gratulationen am wichtigsten waren, die er sich selbst ausgesprochen hat.

Im Interview mit der „Berliner Zeitung“ hat der Richard David Precht für die gebildeten Stände dieser Bescheidenheit in besonders beeindruckender Weise Ausdruck verliehen, als er darauf verzichtete, mitzuteilen, welchen Literaturpreis er für sein jüngstes Buch (Sloterdijk: „ein Beitrag zur zeitgenössischen Literatur“) entgegenzunehmen gedenkt. Vielmehr beschränkte er sich auf die demütige Bemerkung „Wenn man bedenkt, dass es in Deutschland Hunderte von Literaturpreisen gibt, stünde ich als Kandidat für einen davon bereit“. Ja, klar, das war ironisch gemeint, das Dumme ist nur: Man nimmt es ihm trotzdem ab.

Wer immer einen dieser Preise zu verleihen hat, möge sich allerdings beeilen, denn das Abendland, das so große Gestalten wie Platon und Sloterdijk hervorgebracht hat, ist in akuter Gefahr, und bald wird es so weit sein, dass wir unsere Geschichte und Gegenwart von irgendwelchen Leuten aus der „Peripherie“ interpretieren lassen – was ja, Hölle!, unmittelbar bevorsteht, wenn wir der Sloterdijk’schen Untergangsrhetorik folgen.

Und die geht so: „Wir beobachten die Mobilisierung einer postkolonialen Intellektualkultur. Die zeigt, wie Intellektuelle von der Peripherie sich bereit machen, im Zentrum Macht zu übernehmen.“

Zur Klarstellung beachten Sie bitte zweierlei. Erstens: Die Ähnlichkeit mit rechtsradikalem Geraune über die „Umvolkung“ Europas durch periphere Einwanderungskohorten ist selbstverständlich rein zufällig, wenn auch vorhanden. Zweitens: Das Zentrum sind wir, und die Macht liegt natürlicherweise bei uns, weshalb niemand sie zu „übernehmen“ hat, so wie wir sie einst in unseren Kolonien übernommen haben, schon gar nicht irgendwelche Leute aus Indonesien.

Ja, Indonesien, wir haben schließlich Documenta! Und da ist dieses „elende Großplakat“ (Sloterdijk), das sie jetzt abgehängt haben, „für die Experten ein klarer Fall von antisemitischer Propaganda“ (Sloterdijk). Aber nicht für einen Sloterdijk! „Mir genügte ein kurzer Blick: ,Miserables Gemälde.‘ Jedes zusätzliche Wort ist Verschwendung.“ Schlechtes Zeug aus der Peripherie halt – wer will es da noch wagen, ein Wort über Antisemitismus und Postkolonialismus zu verlieren!

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