Kaisermania

Für viele ist Roland Kaiser ein Held, aber in Dresden steigert sich das regelmäßig im Spätsommer zur schieren Raserei.
Was man sicher weiß: Eine Dresdnerin, Melitta Bentz, hat den Kaffeefilter erfunden. 1908 patentiert. Christine Hardt, auch aus Dresden, hat den Büstenhalter erfunden, 1899 patentiert. Robert Sputh, auch von dort: den Bierdeckel, 1892. Den Teebeutel: Adolf Rambold, 1929. Die Zahncreme: Ottomar Heinsius von Mayenburg, 1907.
Was man nicht weiß: Kaisermania. Wer hat das eigentlich erfunden? Eine Mania ist laut Wörterbuch eine Form von Raserei, die angeblich auf eine etruskische Todesgöttin zurückgeht. Und der Kaiser, Vorname Roland, ist ein erfolgreicher deutscher Schlagersänger, ein freundlicher Herr von 65 Jahren, der stets im eleganten Frack vor seine Anhänger tritt. Eigentlich passen die Raserei der Todesgöttin und der nette Herr Kaiser und seine Lieder nicht in ein Wort. In Dresden ist das, wie auch immer, trotzdem gelungen.
Die Kaisermania ist ein massenhafter Rauschzustand, der in seiner stärksten Ausprägung im Spätsommer am Elbufer vor dem sächsischen Finanzministerium auftritt. Dort steht der Namen gebende Künstler seit Jahren viermal auf einer Bühne und singt vor insgesamt etwa 50 000 Fans. Da kann es wie aus Eimern regnen wie in diesem Jahr oder es könnten vier Helene Fischers gleichzeitig Konzerte flussabwärs geben: Den „Roli“, wie ihn die Dresdner nennen, würde keiner allein im Regen stehen lassen. Die Karten für die nächsten vier Konzerte 2018 wurden Montag ab zehn Uhr angeboten. Um 10.30 Uhr waren alle ausverkauft. Santa Maria! D en „Kaiserwahnsinn“ vollständig erklären, wie die „Sächsische Zeitung“ diese freundliche Form Dresdner Raserei nennt, konnte bislang noch niemand. Vermutlich hat sich da etwas hochgeschaukelt und wurde dann in dem Lied „Affäre“ besiegelt, das Kaiser Dresden ausdrücklich widmete: „Dresden du unbesiegte, Dresden du heiß geliebte. Du bist einfach unbeschreiblich.“
Und noch einer anderen Dresdner Mania widmete sich der Sänger (seit 2002 in der SPD): 2015 hielt er eine Rede neben der Frauenkirche und wusch dem Pegida-Volk den Kopf: „Wir können die vergangenen Wochen nicht zurückdrehen, aber wir können heute anfangen, Position zu beziehen – für Mitmenschlichkeit, Weltoffenheit und für den Dialog miteinander.“ D ie Pegida-Führung kochte und prophezeite das Ende der „Affäre“ zwischen Kaiser und Dresden. A ber danach ging es richtig los und wo das noch endet, weiß kein Mensch. Wahrscheinlich ist das Wort Mania bald zu klein und ab 2018, 2019 oder 2020 braucht es ein neues Anhängsel an den Kaiser. Es müsste nur rechtzeitig erfunden werden.