Imagination

Kann KI Kunst? Sie kann! Sie ist fabelhaft im Imaginieren. Aber wie lange noch? Die Kolumne „Times mager“.
Gegen eine Spende gibt es Selbstbedienungskaffee, an einem Automaten kann man Cola- und Wasserflaschen mit verblichenen Etiketten ziehen. Angeblich. Statt des Getränks – alle Fächer leer – werden die eingeworfenen zwei Euro in Fünf- und Zehncentstücken wieder ausgespuckt. Klirr, klirr, klirr, klirr. Es war wohl lange keiner mehr hier, um eine Kunstpause einzulegen. Ein verwaistes Museumscafé, es wurde einmal von einem bekannten Architekten entworfen, ein postmoderner Bau mit einem gläsernen Sitzrondell, einem riesigen Panoramafenster und einer davor eingebauten, minimalistischen Couch. Das Café ist ein Relikt einer vergangenen Zeit, hier und da bröckelt es. Eine perfekte Kulisse wäre das für ein Edward-Hopper-Bild. Wobei Hopper in dieser trostlosen Leere zumindest einen einzelnen Menschen an die Bar gesetzt hätte. Und wobei seine Architekturen, diese Einsamkeit ausstrahlenden Orte, reine Imaginationen sind; Spiegelungen einer inneren Wirklichkeit.
Vor kurzem fragte man sich, ob die künstliche Intelligenz Kunst kann. Sie kann. Sie bekommt Auszeichnungen dafür (siehe Boris Eldagsen, der den Sony World Photography Award ablehnte, weil nicht er, sondern die KI maßgebliche Urheberin des Bildes war). Sie ist eine Meisterin des Imaginierens. Sie erfindet Bild- und Kunstwelten, indem sie schamlos – oder gekonnt – Echtes mit Halbechtem zu Erdachtem vermischt, das Wahre tarnt und in ein imaginiertes Setting verwandelt. Datenhalluzination nennen es die einen (was sagt, dass da etwas mit Vorstellungskraft arbeitet). Andere nennen es: artyfarty Nonsense. Es ist beides - und natürlich verwirrend.
Jetzt kommt einer, der gerne den ungerufenen Retter spielt, wie sooft; Elon Musk. Er will uns das künstliche Imaginäre rauben. Während der gerade erst von ihm mitausgerufenen Entwicklungspause für die KI werkelt er fleißig und noch nicht mal heimlich selbst in seiner Tech-Werkstatt weiter: an der Wahrheit. Seine nächste Erfindung soll den megalomanen Namen tragen: TruthGPT. Da ist nichts mehr mit Halluzination, mit Framing durch lästige Filter, kein Platz mehr für Unechtes und Unwahrheiten. TruthGPT spuckt die Welt aus, wie sie wirklich ist. Also, wie sie im Internet gespiegelt ist, ein wahres Echtzeitzerrbild sozusagen (kann man nur hoffen, dass es da nicht so viele Fünfcentstücke gibt).
Durchs Museumscafé hallt die Rauswerferstimme. Sie sagt, dass das Haus jetzt schließt, und wünscht einen schönen Abend. Knacks im Mikro. Und dem heimischen (sich mal wieder in einer Pechsträhne befindenden) Fußballteam eine gute Auswärtsserie. Na zumindest das: Hier, in der good old Reality, versiegt die Kraft des Imaginären nicht so schnell.