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Von: Stephan Hebel

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Schon architektonisch verweigert die Frankfurter Paulskirche das Ausblenden des Dunklen in der deutschen Geschichte.
Schon architektonisch verweigert die Frankfurter Paulskirche das Ausblenden des Dunklen in der deutschen Geschichte. © Renate Hoyer

Das Paulskirchenfest ist nun selbst Geschichte. Vielleicht hat das Jubiläum etwas Licht ins Dunkel gebracht. Die Kolume „Times mager“

Die Geschichte mit der Geschichte ist fast auch schon wieder Geschichte: Vor gut einer Woche ist für einen Moment Historisches ins Blickfeld der breiteren Öffentlichkeit gelangt: Zu würdigen war der revolutionäre Aufbruch der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, die im Mai 1848 begann, vor 175 Jahren. Und es war ein ziemlich neuer Sound, der das Gedenken prägte: Deutschland, man staune, blickte positiv zurück auf diesen Moment.

„In einer Zeit, in der die liberalen Demokratien des Westens immer fragiler und angreifbarer erscheinen und autoritäre Regime weltweit das ideologische Kräftemessen eröffnet haben, kündigt sich eine erinnerungspolitische Wende an, die all die hellen Kräfte ins Bewusstsein ruft, anstatt nur weiter ins Dunkel zu starren.“ So die Diagnose von Peter Neumann in der „Zeit“, und der kluge Text erklärte auch, warum und unter welcher Bedingung uns das keine Sorgen machen muss: Es wäre „vorschnell“, so Neumann, „die gute Absicht zu übergehen und hinter dem neuen deutschen Demokratiestolz sogleich relativierende Schönfärberei zu befürchten“. Denn „davon kann nicht die Rede sein“.

Warum nicht? Unter anderem deshalb, weil der Ort des historischen Geschehens und des Gedenkens, die Frankfurter Paulskirche, schon architektonisch das Ausblenden des Dunklen in der deutschen Geschichte verweigert. Nach dem Nazi-Terror und dem Zweiten Weltkrieg bewusst karg wieder aufgebaut, trägt sie die Wunden des deutschen Menschheitsverbrechens von 1933 bis 1945 ebenso in sich wie die Spuren des Aufbruchs von 1848. So soll es bleiben, das hat gerade die vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission bestätigt, und nur so, mit Blick auf den Schatten, kann es legitim sein, den lichten Moment zu feiern.

Aber Vorsicht, das ist immer noch kein Konsens. Ausgerechnet Heribert Prantl, bekannt als großer sozialliberaler Publizist der „Süddeutschen Zeitung“ mit historischem Bewusstsein, hat jetzt über die Architektur der Nachkriegs-Paulskirche lamentiert. Man habe dem Ort „seine Historie ausgetrieben“, und: „Es wäre schön, wenn der alte Parlamentsbau rekonstruiert worden wäre – um, wie es die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters sich gewünscht hatte, Demokratiegeschichte ,sinnlich erfahrbar zu machen‘“. Die „Aura“ und die „Magie“ fehlt Prantl in der Paulskirche, als wolle er die von Deutschen verschuldete Zerstörung mit hellen Bildern rückwirkend übermalen. Hätten wir nicht gerade dann, das Dunkle verschweigend, dem Gebäude „seine Historie ausgetrieben“?

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