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Genießen!

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Von: Sylvia Staude

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Die Software in unseren Computern - wir stellen es uns vor als eine Art summenden Bienenschwarm. © imago stock&people

Mensch und Maschine, heute: Die neue Cloud frisst Mails, aber sie tut unschuldig wie eine Schäfchenwolke.

Selbstverständlich weiß das Times mager – es ist zwar nicht dank einer Gnade der späten Geburt ein digital native, aber es kommt doch ganz gut klar, meistens –, dass es nicht die Maschine ist, die seit Tagen bei jeder unpassenden Gelegenheit sagt: „Genießen Sie Ihren leeren Posteingang.“ Dem Times mager ist klar, dass ein Mensch irgendwann vor einer Maschine saß, um in etwas namens Software festzulegen, dass, sobald fünf Sekunden lang keine neue Mail eingegangen ist, die Software ihre Nutzerin anquatscht mit: „Genießen Sie Ihren leeren Posteingang.“

Nun kann man dem, was wir uns vorstellen als eine Art nervös summenden Bienenschwarm im Innern unseres Computers („Malware! Malware vor der Tür! Bitte stechen, bitte stechen!“ – „Melde gehorsamst: gestochen!“ – „Das war die falsche Mail, du Idiot!“ „Großalarm! Großalarm! Wir stürzen ab! Ferdinand hat die falsche Mail gestochen! Wir krkrkrrrsssss …“ usw.), nun kann man also der Software immerhin zugutehalten, dass sie uns in diesem Fall nicht duzt. Trotzdem würde man der Maschine/dem Bienenschwarm/notfalls auch dem Programmierer gern eine reinsemmeln (dies durchaus nicht nur virtuell). Sprüche eines Computerprogramms, die klingen wie von einem Motivationstrainer, der sein Motivationstrainerdiplom im Corona-Schnellfernkurs erworben hat, haben uns gerade noch gefehlt.

Schlimmer geht allerdings immer. Die neue Cloud frisst 99,9 Prozent der Mails und tut unschuldig wie eine Schäfchenwolke. Der neue Parkscheinbezahlautomat frisst den Parkschein und gibt vor, nicht zu wissen, was „Abbruch“ bedeutet, bis man den roten Abbruchknopf gefühlte 273 Male gedrückt und die Schranke auf ihre Solidität hin betrachtet hat: Könnte man sie durchbrechen, oder wäre dann das Auto Schrott?

Ein Auto übrigens, in dem es eine sogenannte Schummelsoftware gegeben hat. Die immerhin die Fahrerin nicht nervte mit Mitteilungen wie „Genießen Sie Ihren niedrigen Schadstoffausstoß“, was ebenso unsinnig gewesen wäre wie (dies womöglich vom Parkscheinbezahlautomaten) „Genießen Sie Ihren autofreien Abend“.

Apropos autofrei: der britische Great North Air Ambulance Service testet derzeit einen Raketenanzug, mit dem eine Ärztin einen Berg, auf dem ein Verletzter liegt, angeblich in 30 Sekunden hochdüsen kann. Düsen ist hier wörtlich zu nehmen. Freilich kann sie den Verletzten nicht, wie Superman, in ihren Armen nach unten tragen, das schaffen die Jetpacks nicht. Aber der Anblick eines Engels mit Raketenantrieb wird jeden Schwerverletzten glauben lassen, er sei bereits im Himmel.

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