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Gekrakel

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Von: Judith von Sternburg

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Wer bitte soll das Lesen können? Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP.
Wer bitte soll das lesen können? Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. © Michael Kappeler/dpa

Auch aus Leuten mit Sauklaue kann noch was werden. Ein Christkind, zum Beispiel.

Jetzt nachdem sich auch die letzten (unsereiner zum Beispiel) die Unterschrift von Olaf Scholz angeschaut haben werden, lässt sich festhalten: In der Tat ist die Unterschrift von Olaf Scholz ökonomisch, andererseits haben Ludwig XIV. und Donald Trump die Menschheit doch schon davor gewarnt, dass pompöse Unterschriften nichts Nobles sein müssen. Wobei die Unterschrift von Ludwig XIV. gar nicht pompös ist. Sie ist Folge von Auf- und Ablinien, wie eine jener Übungen, mit denen die Ganzwortmethode startete. Bevor sie directement zu einer 5 in Schönschrift führte.

Eine 5 in Schönschrift war keine große Sache, aber eine Rarität. Sie gibt uns Gelegenheit zu Klatsch und Tratsch. Erinnern Sie sich daran, dass an dieser Stelle kürzlich eine Kollegin sich dazu bekannt hat, vor etlichen Jahren im Krippenspiel das Christkind gewesen zu sein? Das hat die zwischenmenschliche Symmetrie empfindlich gestört. Wie soll man mit einem Menschen umgehen, der das Christkind war, wenn man es selbst bloß bis zum Weihnachtsmann in einer noch dazu nichtöffentlichen Aufführung gebracht hat. In einem Weihnachtsstück, das die begabte Großmutter (in die Schreibmaschine!) geschrieben hatte und in der man die Rolle nur bekam, weil man die Älteste war und so die Einzige, die das Gedicht „Von drauß vom Walde komm ich her“ auswendig lernen konnte. Dieses Gedicht ist nicht ohne. Jetzt kommen wir aber etwas weit vom Thema ab.

Die Kollegin, die das Christkind war, hat also ihrerseits eine unglaublich krakelige Handschrift – obwohl sie noch dazu aus Bayern stammt, dies nur als kleiner Insiderhinweis. Trotzdem ist sie weit gekommen. Auch Olaf Scholz ist weit gekommen, mit einer Unterschrift, die man nicht einmal krakelig nennen würde. Aber nicht, weil sie ordentlich wäre, sondern weil da kaum was ist. Bloß ein O mit etwas Garnitur.

Wer darüber nachdenkt, ist nicht nur eine Spur unkonzentriert, sondern zugleich von gestern (Olaf Scholzens Unterschrift) und von morgen (Weihnachten). Heute geht es eigentlich um das Englisch von Annalena Baerbock. Es soll unvollendet klingen. Bevor wir übermorgen wieder up to date sind, hier jedoch schon der Hinweis: Immer schon blöd und unsympathisch gewesen, Leute, die sich über Aussprachedefizite aufregen. Sich darüber lustig machen. Sie für erwähnenswert halten. Selbst wenn es um die Bahn geht! Erst recht, wenn es um die Bahn geht! Die Bahn hat viele Probleme, aber ihr Englisch gehört nicht dazu. Und Aussprachedefizite sollten überhaupt nur die Frau Lehrerin oder der Herr Lehrer thematisieren und verbessern. Womit sich zeigt, dass am Ende doch wieder alles mit allem zusammenhängt.

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