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Forst

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Von: Stephan Hebel

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Die Morgensonne scheint durch den Nebel im herbstlichen Wald am Limeswall im Taunus, unterhalb des Großen Feldbergs.
Die Morgensonne scheint durch den Nebel im herbstlichen Wald am Limeswall im Taunus, unterhalb des Großen Feldbergs. © imago

Von Waldwirtschaft, unkorrekten Wanderern und dicken Tannen.

Die Waldarbeiter mit den riesigen Sägen zeigten sich, zurückhaltend formuliert, wenig amüsiert, und ehrlich gesagt: Auch der Gesichtsausdruck des Försters schien nicht gerade eine Einladung zum herzlichen Zwiegespräch darzustellen. Kein Wunder, die Wanderer hatten eine kleine Abkürzung über den Waldspielplatz genommen und prompt das Banner übersehen, das ihnen, der Sägearbeiten wegen, eigentlich das Rechtsabbiegen verbot.

Die Wanderer trugen artig ihre Entschuldigung für das Versehen vor, verbunden mit demonstrativen, aber ehrlich gemeinten Bekundungen des Verständnisses für die ohnehin schwierige Aufgabe der Waldpflege in unseren Zeiten. Der Förster dankte es mit einem unerwarteten Lächeln und einem höchst beachtlichen Vortrag, dessen Themen und Thesen an dieser Stelle nur in wenigen Grundzügen wiedergegeben werden können.

Erstens: Was hier geschieht, ist ökologische Waldwirtschaft unter widrigen Umständen, ein stetes Experimentieren mit klimaresistenten Nachpflanzungen am gerade noch lebenden Objekt. Wer glaubt, es sei ökologisch, den Wald einfach in Ruhe zu lassen, hat keine Ahnung, vom Borkenkäfer schon gar nicht.

Zweitens: Die Menschen sollten aufhören, den Boden mit Einfamilienhäusern zuzupflastern. Das mag vor 30 Jahren noch normal gewesen sein (Einwurf Wanderer: Ja, die Ideologie vom Glück im eigenen Heim), heute können wir es uns nicht mehr leisten. Also: Mehr Höhe, schöne begrünte Innenhöfe, und die Wände gefälligst aus Holz, ökologischer geht’s nicht.

Drittens: Monokulturen aus Fichten sind doof, aber häufig. Wer sich fragt, warum, sollte die Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht vergessen: Noch vorhandene Laubwälder wegtransportiert zu den Siegermächten, schnell wachsende Fichten nachgepflanzt.

Viertens: Am schlimmsten sind die Leute, die sich aufregen, wenn sie wegen der Waldpflege und der Sägearbeit einen Umweg machen müssen.

Fünftens: Immer Kopf hoch und Augen auf, es kann jederzeit ein Ast runterkommen.

Gerne gingen die Wanderer ein Stück des Weges, auf dem sie gekommen waren, zurück, um später Richtung Gasthaus abzubiegen. Für einen Moment, sagten sie sich, möchte man den Wald mit den Augen des Försters sehen, denn der Verdacht, dass er jeden Baum persönlich kennt, kann in seinem Fall wörtlich genommen werden. Kurz vor dem Gasthaus dann donnerte ein Flugzeug im Landeanflug über die Köpfe, und die Wanderer unterhielten sich über gesunde Bäume, die neuen Terminals zum Opfer fallen. Und über die dicke Tanne, die dem vorhin durchquerten Waldspielplatz den Namen gab. „Die“, hatte der Förster gesagt, „ist schon lange weg.“

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