Feudal

Hätte Jan Böhmermann nicht wenigstens SPD-Vorsitzender werden können?
Das Städtchen am See hat einen schönen alten Platz. Er trägt den schönen alten Namen „Hofstatt“, was womöglich bedeutet, dass einst adlige Herren hier Hof gehalten haben, wenn sie das Städtchen besuchten. Wenn nicht, war auf der Hofstatt Markt, und das ist bis heute so, zweimal die Woche.
Schon 1180 war Kaiser Friedrich Barbarossa I. so freundlich gewesen, dem Städtchen das Marktrecht zu verleihen. Und weil das Städtchen eine Reichsstadt war, formal direkt dem Kaiser unterstellt, regierte es sich einigermaßen selbst und sah sich nicht wie andere Orte der feudalen Willkür eines lokalen Herrschers ausgesetzt. Über das Markttreiben wachten die Zünfte und die Herren Patrizier, die das Städtchen regierten, und irgendwie ist es bis heute so, nur mit dem Unterschied, dass jetzt halt demokratisch entschieden wird, wer regiert.
Damit sind wir ganz naturwüchsig bei Jan Böhmermann, Facebook, Instagram und Whatsapp angekommen, denn im Städtchen war es kühl geworden, in der Urlaubsunterkunft lief der Fernseher und Jan Böhmermann trat auf, bewaffnet mit einem treffenden Vergleich.
Facebook oder Instagram und Whatsapp, die sich beide im Eigentum von Facebook befinden, ließen sich mit einem mittelalterlichen Marktplatz vergleichen, sagte Jan Böhmermann. Mit einem Marktplatz allerdings, über dessen Regeln nicht die Gemeinschaft bestimme, sondern eine einzelne Person: Mark Zuckerberg. Und das, so die Botschaft des Moderators, sei gar nicht gut. Weder auf analogen Marktplätzen noch auf digitalen.
Ein leichtes Hinken ist dem Vergleich zwar anzumerken, denn wäre das Städtchen keine Reichsstadt gewesen, dann hätte dort wie anderswo schon im Mittelalter ein Vorgänger von Mark Zuckerberg das Sagen gehabt. Aber hier hört das Hinken auch schon wieder auf, denn genau das war es, was Moderator Böhmermann meinte: Der Facebook-Gründer herrscht wie ein Feudalherr über die wichtigsten Marktplätze digitaler Meinungsbildung, mit dem feinen Unterschied, dass er das praktisch weltweit tut. Mit dem ebenso feinen Unterschied auch, dass er den „Zehnten“ in Form von Daten eintreibt, mit denen er zum eigenen Nutzen und Frommen handelt wie einst der Feudalherr mit den Früchten, die die Untertanen im Schweiße ihres Angesichts geerntet hatten.
Das könne doch nicht sein, sagte der Moderator, und alle, es war eine Talkshow, gaben ihm fröhlich lächelnd recht. Ob also Facebook „verstaatlicht“ werden sollte, fragte die Moderatorin, und ja, antwortete Böhmermann, wer zuspitzen wolle, könne es so sagen. Warum eigentlich ist Jan Böhmermann nicht wenigstens SPD-Vorsitzender geworden?