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Ernte

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Von: Lisa Berins

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Daten lassen sich ernten wie Spargel. Man muss nur wissen, wo sie zu finden sind.
Daten lassen sich ernten wie Spargel. Man muss nur wissen, wo sie zu finden sind. © Boris Roessler/dpa

Was in die virtuelle Welt gelangt ist, lässt sich nicht so leicht wieder entfernen. Das ist peinlich und manchmal mehr als das.

Daten – diese eigensinnigen Teilchen der virtuellen Welt. Einmal losgelassen sind sie meist nie wieder einzufangen, was ärgerlich ist, wenn ungewollte Inhalte von einem selbst im Internet auftauchen und sie in der Google-Suche nicht mehr zu löschen sind. Jugendsünden, Bilder von rauschenden Partys oder anderes Privates. Millionenfach schwirren diese verräterischen Dinger im Netz rum, und es werden immer mehr und mehr. Ein ungeordneter Haufen aus Pixeln, Metadaten und Koordinaten, der in riesigen Serverfarmen vor sich hin wächst, was große Tech-Konzerne natürlich maximal freut.

Doch der Daten-Overkill hat auch eine nützliche Seite – wie zuletzt bei der „Dataharvest“-Konferenz zu sehen war. Aus Europa und der Welt waren Investigativ- und Datenjournalistinnen und -journalisten in das beschauliche belgische Mechelen gekommen, um sich darüber auszutauschen, wie öffentlich zugängliche Informationen für Recherchen genutzt, wie sie „geerntet“ werden können. Sortiert, analysiert, dokumentiert und wie Puzzlestücke zusammengesetzt ergeben sich dann Bilder, die weit mehr über unser Zeitgeschehen verraten, als wir im analogen Universum wahrnehmen könnten.

Dieser Soldat zum Beispiel, der auf der Dating-App machomäßig-oberkörperfrei beim Liegestützmachen posiert – in einer Baracke in Kamerun, ganz in der Nähe eines Ortes, an dem gerade ein Massaker an Frauen und Kindern verübt wurde. Mit 21 Schüssen wurden sie in der Wüste hingerichtet. Satellitenbilder und ein auf Twitter gepostetes Video der Ermordung beweisen, dass der Soldat einer der Täter ist. Dank seines Datenleichtsinns kann er identifiziert, verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt werden - was zugegebenermaßen nicht besonders viel für mehrfachen Mord ist.

Ähnliches Vorgehen bei Kriegsverbrechen in der Ukraine. Auch da helfen die Abertausenden Informationen aus dem Netz, um Anschläge zu lokalisieren und die Täter zu benennen, die Propaganda Russlands zu unterlaufen, ein auf Fakten basierendes Gegenbild im tobenden Desinformationskrieg zu zeigen. Informationen sind Macht, und der öffentliche Zugang zu ihnen Demokratie. Das Aufspüren dieser Daten ist legal, aber ohne Frage für diejenigen entblößend, die bei ihren Verbrechen und Lügen erwischt werden.

Aber auch für den Durchschnittsmenschen birgt der Datenschatz die Gefahr unangenehmer Enthüllungen – wie eingangs beschrieben. Da hilft eigentlich nur: Daten hüten, bevor sie ausbüxen. Anders ausgedrückt: mal ein bisschen weniger posten.

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