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Ellenbogen

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Von: Thomas Stillbauer

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Ist der Ellenbogen besonders anfällig für Corona?
Ist der Ellenbogen besonders anfällig für Corona? © Paulo Mumia/dpa

Ganz so kurz sollte die Reise nicht werden – aber dann gab es doch zu viele Ellenbogen-Masken-Träger und Musik-Beschaller.

Unzufriedenheit entstehe, wenn unser Leben nicht so verlaufe, wie wir es erwarten, informiert eine Internetseite, die sich dem Thema Unzufriedenheit mit sich selbst und mit dem Leben widmet. Übrigens ohne Komma, was der Zufriedenheit auch nicht gerade zuträglich ist.

Jedenfalls begannen die Sommerferien mit einer Kurzreise in den Südwesten. Gar so kurz sollte sie eigentlich nicht werden, die Reise. Dass sie dann doch derart kurz wurde, lag weniger am Wetter und noch weniger an der Natur. Vielleicht lag es an einer gewissen Unzufriedenheit, nicht direkt mit uns selbst, eher mit unseren Nächsten, dachten wir.

Dass die Unterkunft winzig war: geschenkt. Man hätte ja viel Zeit auf der Terrasse verbringen können, wenn die Markise so angebracht gewesen wäre, dass die Sonne nicht seitlich dran vorbei unsere Nasen und Ohren röstete. Oder man wäre im Biergarten geblieben, wenn dort nicht diese speziellen pandemischen Verhältnisse geherrscht hätten.

Tatsächlich – im Biergarten war Corona, wie wir es kannten, vorbei. Die Menschen standen Schlange am Bierausschank, und manche hatten die Mund-Nase-Bedeckung noch am Ellenbogen befestigt, vielleicht als modisches Accessoire, vielleicht auch als Ellenbogenschutz. Möglicherweise besaßen sie Informationen darüber, dass einer der beiden Ellenbogen besonders anfällig für eine neue Corona-Mutation war. Bei manchen der linke, bei anderen der rechte. Es gab ja täglich neue Enthüllungen, aber leider auch täglich weniger Verhüllungen. Im Gesicht trug niemand mehr eine Bedeckung.

Es empfahl sich daher, den prächtig besuchten Biergarten noch vor dem Erreichen des allgemeinen Stimmungshöhepunkts wieder zu verlassen. Auf der Terrasse der Ferienunterkunft zeichnete sich am späteren Abend ab, dass die Sonne hinterm Hügel verschwinden und eine blaue Stunde ermöglichen könnte. Der Zeitpunkt fiel bedauerlicherweise zusammen mit dem Stimmungshöhepunkt der Großfamilie, die das Nachbargelände a) bewohnte und b) mit Musik aus zwei voneinander unabhängigen Tonquellen beschallte.

Einer überstürzten Abreise am nächsten Morgen stand nun nichts mehr im Wege, auch wenn der Ort in letzter Minute alles versuchte, seine Gäste durch vorzügliches Bäcker- und Metzgerhandwerk zu bestechen. Doch hatte sich über die Szene bereits eine dominante Unzufriedenheit gelegt. Sie sei unangenehm und lästig, informiert die eingangs erwähnte Internetseite über Unzufriedenheit, aber: „Du hast sie selbst hervorgerufen. Sie will dich alarmieren, dass etwas nicht so läuft, wie du es möchtest. Im Grunde genommen ist sie dein Freund.“ Adios, Amigo.

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