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Eco

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Von: Michael Hesse

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Gerade weil der Faschismus keine Quintessenz, ja nicht einmal eine Essenz besessen habe, sei er leicht für Nachfolger zu adaptieren gewesen, sagte der italienischen Autor Umberto Eco.
Gerade weil der Faschismus keine Quintessenz, ja nicht einmal eine Essenz besessen habe, sei er leicht für Nachfolger zu adaptieren gewesen, sagte der italienischen Autor Umberto Eco. © Carmen Siguenza/dpa

Mussolini behauptete 1923, die Lebensdauer des Faschismus betrage 60 Jahre. Warum ist er dann immer noch nicht tot? Umberto Eco wusste, warum das so ist.

Es ist die Zeit der Spießer, sagte die weißrussische Autorin und Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch vor einigen Jahren. Ihr Freundeskreis habe aus den Regalen die alten Bücher über die Entstehung des Faschismus, seine Gründe und Folgen, längst herausgeholt. Besonders betroffen sei Russland, Weißrussland, aber auch die westlicher gelegenen Staaten. Und tatsächlich erlebte die Welt ein Erstarken der autoritären Systeme. Genau vor 100 Jahren hatte Benito Mussolini erklärt, 60 Jahre umfasse die Lebensdauer des Faschismus. Hätte Mussolini recht behalten – er irrte sich oft –, dann wäre diese Sache mit den Rechtsextremisten Anfang der 1960er Jahre Geschichte gewesen.

Nun ist es anders gekommen. Ein guter Grund, sich an den 2016 verstorbenen italienischen Schriftsteller Umberto Eco zu erinnern. Man rätselt zurzeit in den sozialen Medien über ein Büchlein, das seinen Namen trägt, aber in keiner Bibliografie aufzufinden ist. Eco selbst wäre wohl begeistert gewesen und hätte sich direkt auf die Suche nach dem Buch und seiner wahren Geschichte gemacht. Es trägt den Titel: „Carmen Nova“.

Ein anderes Büchlein Ecos kann ihm aber auf jeden Fall zugerechnet werden. Es trägt den Titel „Der ewige Faschismus“. Es geht zurück auf einen von ihm 1995 in New York gehaltenen Vortrag zum 50. Jahrestag der Befreiung Italiens vom Faschismus. Eco wuchs noch in der Zeit des italienischen Faschismus auf und berichtete in New York von seiner Kindheit, dass ihm immer eingetrichtert worden sei, ein Italiener befinde sich ständig im Krieg. Dass plötzlich nach 1945 viele Parteien zur Wahl standen, hätte ihm verdeutlicht, dass sie im Untergrund gekämpft haben müssten. Eco erblickt im deutschen Nationalsozialismus ein singuläres Phänomen. Das bedeutet, dass dieser Typus nur in der Zeit der 30er und 40er Jahre auftrat und sich also solcher wohl nicht wiederholen werde. Beim Faschismus lägen die Dinge anders. Alle ähnlichen Bewegungen, die später kamen, hätten in Mussolinis Bewegung eine Art Archetypus gefunden. Mit seiner Kleidermode habe der italienische Faschismus im Ausland sogar spätere Modemarken in ihrem Erfolg übertroffen. Gerade weil der Faschismus keine Quintessenz, ja nicht einmal eine Essenz besessen habe, sei er leicht für Nachfolger zu adaptieren gewesen.

Eco gibt uns eine Handlungsanweisung mit. „Es wäre so bequem für uns, wenn jemand auf die Bühne der Welt träte und erklärte: ‚Ich will ein zweites Auschwitz, ich will, dass die Schwarzhemden wieder über Italiens Plätze marschieren!‘“ Das Leben sei aber so einfach nicht. Dennoch gebe es für Demokraten eine wichtige Regel. Und die laute: „Nicht vergessen!“

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