Diebesgut

Stehlen ist nicht gleich stehlen. Das eine ist gut für die Kultur, das andere weniger. Die Kolumne „Times mager“.
Gibt es schlechtes Stehlen und gutes, oder zumindest irgendwie vertretbares? Ohne kriminelles Handeln bagatellisieren zu wollen, aber wenn, sagen wir, kein Geld da ist und der Hunger groß, erscheint es da nicht vielleicht moralisch okay, einem Riesenkonzern eine Banane zu mopsen? Oder nehmen wir Robin Hood. Er war ein guter Dieb, er stahl aus sozialem Verantwortungsgefühl; um das Kapital gerecht zu verteilen. Und natürlich kann man auch die eigenen Jugendsünden verklären: Es war eine Mutprobe! Gruppenzwang! Das Taschengeld zu knapp! Die Batterien für den Walkman waren leer! So beichtete „Tatort“-Schauspielerin Christine Urspruch. Wir erinnern uns: leiernde Walkmen waren wirklich das Schlimmste; kein Musikgenuss mehr möglich.
Jedenfalls, es sind meist die niederen Motive, die zur Tat schreiten lassen: Die Menschen stehlen aus Habgier, Rache, Neid – oder weil etwas einfach so megaschön ist, dass man’s haben muss, obwohl es das Budget übersteigt. Im Zusammenhang mit dem Diebstahl von einigen Werken Hermann Nitschs ist letztere vielleicht nicht unbedingt die passende Kategorie. Was auch immer das Tatmotiv des Gärtners war (natürlich, der Gärtner wieder) – vielleicht finanzielle Not -; aus dem Haus des Künstlers, der 2022 verstorben ist, wurden Gemälde im Wert von 435 000 Euro entwendet. Die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Niederösterreich laufen seit 2021, vergangenes Jahr wurden zwei Schüttbilder Nitschs in Wien sichergestellt, weitere in Deutschland und Rumänien aufgespürt – nach dem restlichen Diebesgut wird weiter gesucht.
Die österreichische Zeitung „Der Standard“ hat nun herausbekommen, dass vier Bilder auf Umwegen über Rumänien ins Auktionshaus Dorotheum gelangt sind. Die illegale Herkunft der Bilder war offenbar verschleiert, sie wurden als aus einer „Privatsammlung, Deutschland“ stammend angeboten. Wie einfach eine solche „Kunstwäsche“ ist? Unklar. Jedenfalls wurden zwei Gemälde für 15 000 bzw. 19 000 Euro versteigert. Bei dem Rumänen ist das Geld aber nie angekommen. Stattdessen haben es die Ermittler sichergestellt, so die Zeitung.
Im Sinne Robin Hoods wohl Pech. Aber wenigstens, könnte man jetzt denken, sind ja diese beiden Bilder wieder auffindbar! Falsch gedacht. Das Auktionshaus ist nicht zur Auskunft über die Käuferinnen und Käufer verpflichtet. Und wenn es nicht verpflichtet ist, rückt es die Namen auch nicht raus. Fazit: Mehrere festgesetzte Verdächtige, darunter ein Gärtner. Zwei Bilder, die kurz auftauchten und vielleicht für immer verschwunden sind. Mehrere tausend Euro, die bei der Polizei liegen. Ein Auktionshaus, das fein raus ist. So, und jetzt noch mal zu den Batterien - die haben also die Wiedergabe von Kulturgut ermöglicht?...