Denker

Die großen Philosophen fühlten sich oft unverstanden. Woran das wohl lag...
Was kann heute noch ein angemessenes Verständnis der Aufgabe der Philosophie sein? Das fragen sich nicht nur die Fachmänner und -frauen, auch die Laien reiben sich verwundert die Augen, wenn es um die Philosophie geht. Wozu, um Gottes Willen, ist sie denn nur da? Vor allem, so einer der Haupteinwürfe gegen diese Wissenschaft, sei sie so schwer verständlich.
Mit diesem Thema hat die Philosophie so ihre Probleme. Denn tatsächlich fühlten sich die Philosophen früherer Zeiten - darunter nur wenige Philosophinnen - von ihrem Lesepublikum häufig missverstanden. Auf diesen Umstand hatte schon Heinrich Heine hingewiesen, als er den Franzosen Einblicke in die deutsche Philosophie gewähren wollte. So schrieb er über die Philosophie des deutschen Idealisten Johann Gottlieb Fichte, sie sei lebendig, aber auch unruhig und verwirrsam.
Mit dem Verständnis habe es so seine Bewandtnis unter deutschen Denkern, erklärte Heine und erzählte: Als Reinhold, so der Name eines deutschen Philosophen, mit Fichte einer Meinung gewesen sei, habe Fichte erklärt, dass niemand ihn besser verstehe als eben Reinhold. Als dieser dann von ihm abwich, habe Fichte gesagt, Reinhold habe ihn nie verstanden. Aber es geht noch weiter. Als Fichte „mit Kant differenzierte, ließ er drucken: Kant verstehe sich selber nicht“. Immerzu, so Heine, klagten die deutschen Philosophen über Nichtverständlichkeit. „Als Hegel auf dem Totenbette lag, sagte er: Nur einer hat mich verstanden, aber gleich darauf fügte er verdrießlich hinzu: und auch der hat mich nicht verstanden.“
Wer meint, dass mit Heine hier die Phantasie durchgegangen sei, hat sicherlich recht. Die Geschichten sind frei erfunden und an den jeweiligen Geist der Philosophien angepasst. Hegel, der Dialektiker, lässt noch auf dem Totenbett den Widerspruch hochleben.
Erstaunlich ist aber, wie die Denker ihre eigene Theorie in der Geschichte verorteten. So schrieb Kant über die Frage, welche Fortschritte die Metaphysik gemacht habe: keine. Das liege am Kampf zwischen Dogmatikern und Skeptikern, was kein gutes Ende genommen habe. Nur durch eine Transzendental-Philosophie könne dieser Kampf zum Guten gewandt werden. Und die wurde von eben jenem Kant konzipiert. Auch Hegel sah am Ende seine eigene Theorie als eine Art Schlusspunkt, auf den alle anderen Denkgebäude zusteuerten. Und sogar Habermas kommt in seiner Geschichte der Philosophie auf eine Theorie als Schlusspunkt zu sprechen, die, wen wundert es, er selber ersonnen hatte.