1. Startseite
  2. Kultur
  3. Times mager

Daumentrio

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Sylvia Staude

Kommentare

Ein Buch lesen, die Seiten umblättern und gleichzeitig in der Bahn Halt suchen - ein dritter Daumen wäre da doch praktisch. Oder?
Ein Buch lesen, die Seiten umblättern und gleichzeitig in der Bahn Halt suchen - ein dritter Daumen wäre da doch praktisch. Oder? © IMAGO/Ruslan Kaniuka

Noch ein Daumen, noch ein Arm, noch ein Bein: Darauf haben Sie gewartet, wetten?

Heute: nach dem Gruppenlaufband fürs Büro, juchhu!, und dem kommunizierenden Knie neue Kunde von weiteren Dingen, die dem Menschen bald unabkömmlich erscheinen werden. Denn wie konnten wir unseren komplexen Alltag je mit bloß zwei Daumen oder nur zwei Armen bewältigen? Gar nicht zu reden von dem einen überforderten Kopf.

Sofort sympathisch war uns die Erfindung des Zusatzdaumens, als eine der Testpersonen des von den britischen Forscherinnen Paulina Kieliba und Dani Clode entwickelten künstlichen Griffwerkzeugs berichtete, sie habe beim Pendeln mit der U-Bahn den dritten Daumen vor allem zum Umblättern von Buchseiten gut nutzen können. Während sie sich mit der 1-Daumen-Hand festhalten musste – und auch nur konnte, denn die Natur hat mit Daumen fahrlässig gegeizt.

Ein kurzer Erklärfilm zeigt, dass dank des Kunststoffdaumens, der übrigens an der Hand neben dem kleinen Finger angeschnallt wird, statt drei Mandarinen gleichzeitig vier eingeklemmt oder auch mehr Spielkarten aufgefächert werden können. Und während die Mitspielerinnen gebannt beobachten, wie der Daumen – so hässlich, so unheimlich beweglich – sich um die Karten faltet, lässt sich mit der anderen Hand prima schummeln. Der Nutzen leuchtet also ein.

Aber eigentlich sollen, während Daumen I und Daumen II einen Gegenstand „richtig gut festhalten“, die restlichen Finger etwas anderes tun aka „effizienter arbeiten“. Zum Beispiel, äh … uns fällt schon noch etwas ein. Den Dackel kraulen und zugleich kämmen? Die Zähne putzen und sich rasieren? Rasieren und Wimpern tuschen? Ein Ei schälen, gleichzeitig halten D I und D II den Salzstreuer bereit? Einer guten Arbeitnehmerin böte sich auch an: schneller feudeln/falten/filettieren/Fenster putzen/gar Glossen tippen? Auch verhindert so ein elektrogetriebener Daumen, dass die großen Zehen, wenn sie in den Schuhen unbeobachtet sind, den lieben langen Tag nichts anderes tun als faulenzen: Jetzt müssen sie die beiden Schalter bedienen, mit denen der Daumen gesteuert wird.

Die Gliedmaßen-Forschenden wollen den Menschen updaten, weiter ertüchtigen. Und warum soll in der Tat bloß das Smartphone eine regelmäßige Aktualisierung mit noch mehr nervigen Zusatzfunktionen bekommen? Dem dritten Daumen kann schon bald ein dritter Arm folgen – die Entwicklung läuft, wie wir hören –, dem dritten Arm irgendwann sicherlich ein drittes Bein, mit lauter emsigen Zehen. Das wird auch gar nicht anders gehen, wenn wir demnächst Trompete üben und dem Dackel gleichzeitig die Ohren zuhalten möchten.

Auch interessant

Kommentare