Dadada!
Fehler macht doch jeder, höchste Zeit, die eigenen Fehler respektvoll zu behandeln.
Sag mal Mmmmammma.“ Baby schaut staunend auf die performenden Lippen. „Mmmmammma.“ Baby antwortet freudestrahlend: „Dadadada!“ Falsch. Etwas später sucht die Familie Cocktailtomaten. Irgendwo hat die Großmutter das Paket hingeräumt – leider nicht dorthin, wo es sich eigentlich befinden sollte. Falsch abgelegt, nicht mehr aufzufinden, verschollen. Ein Fehler, dessen Konsequenzen – tomatenfreies Essen – jetzt alle am Tisch tragen müssen. Wobei’s dem Baby ganz offensichtlich egal ist. Es lutscht an einer Maisstange. Eine unscheinbare Episode des Alltags – die exemplarisch illustriert: Die Menschen sind Meister darin, Fehler zu produzieren; sie produzieren sie am laufenden Band, sie sind sprudelnde Fehlerquellen. Genaugenommen sind sie selbst die Fehler, sie höchstpersönlich. Die Sandkörner, die im Getriebe knirschen, die die Ordnung der Dinge auf den Kopf stellen und das größte Chaos verursachen.
Welche Unmengen an Fehlern hat jede und jeder im Laufe des Lebens nicht schon begangen: die kleinen, unscheinbaren, die gut kaschierten und die großen, unverzeihlichen, die gesellschaftlich geächteten (für die man sich notgedrungen entschuldigt, siehe Hundekot-Attacke). Fehler, die einen verraten (Titanweiß in gefälschten Alte-Meister-Gemälden, zum Beispiel). Und natürlich die unterschätzten, die tagtäglichen Fehlentscheidungen, die einem wirklich alles verderben können: Wie man lebt, mit wem und wo.
Doch es geht jetzt mehr denn je um eine positive Fehlerkultur: Es gilt anzufangen, die eigenen Fehler respektvoll zu behandeln, sie zu kultivieren und zu pflegen. Sie werden uns nämlich bald dienen können: als Echtheitszertifikat – um uns gegen künstliche Intelligenzen auszuweisen. Sobald uns die KI nicht nur perfekt kopiert, sondern übertrifft, sobald sie alles weiß und das meiste kann und dabei auf den ersten Blick nicht von dem zu unterscheiden ist, was echte Menschen tun – dann macht eines den Unterschied: die menschliche Unzulänglichkeit. Sie wird zu unserem Wasserzeichen.
Ein möglicher Authentifizierungs-Code: eine individuell ausgestaltete Macke, nennen wir sie „Human Signature“. Zum Beispiel Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Einseitigkeit, Unordentlichkeit … Simpel und effektvoll auch: ein unverwechselbarer Sprachfehler. Man könnte sich extra einen zulegen, und etwa grundsätzlich „grandiös“ statt „grandios“ sagen (kürzlich bei einem offensichtlich vorausschauenden Menschen gehört – es klingt wirklich elegänt). Oder vielleicht: „Dadadada“ – das scheint als „Signature“ womöglich ein zukunftsfähiges, menschliches Sprachkonzept zu sein.