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Times mager
Churchill
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Der US-Präsident könne sich sein Arbeitszimmer natürlich ausstatten, wie er wolle, heißt es aus Downing Street. Das klang schon mal anders.
Es ist längst Teil des Alltags geworden, bei anderen Leuten in die Wohnung zu schauen. Die akademische Welt bevorzugt die weiße Wand – eventuell durch eine sinnvolle Kunstpostkarte aufgewertet – und das Bücherregal, aber eine sagenhaft verschluderte Küche lockerte das kürzlich wieder auf. Da bei derselben Videokonferenz eine Person teilnahm, die ihre nur mit einer Rollleiter zu bezwingende Bücherwand als Hintergrund für ein Gemälde in Chiaroscuro-Technik einsetzte, waren die Prilblumen hinterm Geschirr umso erfrischender.
Menschen mit kleinen Wohnungen bevorzugen Telefonkonferenzen. Menschen mit Macht hingegen haben Personal, das vorher alles schön macht. Frische Blumen, die Fahne gefältet, die Büsten entstaubt. Denn wo bei Menschen mit kleinen Wohnungen möglicherweise doch noch ein Monchhichi auf der Sofarücklehne hockt, kommt bei Menschen mit Macht jetzt Symbolpolitik ins Bild. Wobei auch ein Monchhichi Symbolpolitik ist (ich schmeiße keine Dinge weg, die mir etwas bedeutet haben, nicht einmal, wenn sie immer schon eine Geschmacksentgleisung waren und sie mir eigentlich auch gar nichts bedeutet haben, es war halt ein Geschenk beim Wichteln, nein, vom Tanzstundenabschlussballpartner, egal – kurzum kümmere ich mich nicht darum, wer hinter mir sitzt, während ich arbeite), aber damit ist kein Staat zu machen.
Insofern hat US-Präsident Joe Biden Gründe, stattdessen Büsten von Harry Truman, Martin Luther King, Robert F. Kennedy, Eleanore Roosevelt, Gewerkschaftsführer Cesar Chavez und Bürgerrechtlerin Rosa Parks im Oval Office aufstellen zu lassen. An der Wand Benjamin Franklin, wo Bidens Vorgänger den 7., markant rassistischen US-Präsidenten Andrew Jackson zeigte. Viele Namen, aber fehlt da nicht jemand? In der Tat.
Man muss dazu sagen, dass es mit den Winston-Churchill-Büsten im Oval Office zuletzt ein Hin und Her war. Schon Bidens Vorvorgänger Barack Obama ließ sie wegräumen und brüskierte damit einen Engländer, der seinen Ärger in einem Artikel für das Boulevardblatt „The Sun“ ein wenig hochrechnete. „Einige“, so der damalige Londoner Bürgermeister, sähen darin „ein Symbol für die Abneigung der Vorfahren eines teils kenianischen Präsidenten für das britische Empire“. Das flog ihm zwar um die Ohren, aber er brachte es mit Hilfe der britischen Wählerinnen und Wähler dann doch noch weit. Zwischenzeitlich stellte Obamas Nachfolger Churchill eh wieder hin. Herrlich zu lesen, wie der britische Premier jetzt seinen Sprecher erklären ließ: Es sei selbstverständlich Biden überlassen, wie er sein Arbeitszimmer ausstatte.
Mit Wohlwollen registrieren wir, dass der US-Präsident außerdem eine Tasse auf dem Schreibtisch stehen hat, wie gemacht für schmackhaften Filterkaffee.
Von Judith von Sternburg