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Christkind

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Von: Sylvia Staude

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Krippenspiel: wenn das Kind die Hauptrolle des Christkindes spielt.
Krippenspiel: wenn das Kind die Hauptrolle des Christkindes spielt. © imago stock&people

Ein langes weißes Nachthemd und goldene Sterne: Ein Auftritt in einer wichtigen Rolle.

Ungefähr um diese Zeit im Jahr muss es gewesen sein, als Schwester Ferdinanda die frohe, aber auch mächtig nervös machende Botschaft verkündete: Das Kind werde beim Krippenspiel das Christkind spielen. Das Herz des Kindes hüpfte, denn man denke: Noch vor kurzem hat es nicht mal geahnt, dass das Christkind die Geschenke nicht persönlich unter den Weihnachtsbaum legt. (Weil es dazu gar nicht die Zeit hat, könnte die elterliche Begründung gewesen sein. Und zu was gibt es all die Engel, fliegende Paketboten quasi?) Und jetzt sollte es nicht erst langsam einsteigen mit Ochs oder Esel, wo man sich keinen Text merken muss, vielleicht mit einer kleinen Hirtin und einem Satz, sondern gleich als Christkind-Stellvertreterin.

Übrigens hat sich das Kind kein bisschen gewundert, dass da eine Jungsrolle – da konnte es keine Windel und kein locker drapiertes Tuch täuschen; es wusste schließlich, zu wem das Baby heranwachsen würde – mit einem Mädchen besetzt werden sollte. Schließlich war das eine Mädchenschule und einen frechen, Faltenröcke lüpfenden Jungen von nebenan holen – kein Gedanke!

Stellte sich als Erstes die Frage nach dem, hm, Kostüm. Da hatte die Großmutter, eine gelernte Schneiderin, ein gehöriges Wörtchen mitzureden. Sie maß und steckte ab. Sie nähte dann eine Art langes Nachthemdchen, schimmernd und weiß, darauf wurden Sternchen aus Goldfolie geklebt, die leider die Tendenz hatten, sich an den Spitzen hochzubiegen und immer wieder angedrückt werden mussten. Das konnte schon ablenken.

Ganz sicher ist sich das Kind nicht mehr, aber doch ziemlich, dass es nicht in einer Krippe sitzen musste. Denn wie hätte das gewirkt, eine Siebenjährige in einer Krippe, womöglich noch im Schneidersitz? Stattdessen wartete das Christkind in den Kulissen auf seinen Auftritt, fürchtete all die Zeit, seinen Text doch noch zu vergessen, fürchtete, dass ein Stern sich lösen könnte und zu Boden segeln – und was würde das für einen Eindruck machen. Dass die Heerscharen im Himmel schlampig arbeiteten?

Der Erinnerung des Kindes nach ging alles gut. Schließlich fragte auch die Mutter gefühlte hunderttausend Mal ab, was das Christkind zu sagen hatte, sobald es aus den Kulissen und hinter Ochs und Esel hervortrat. Der Erinnerung des Kindes nach musste es die in der Schulaula Versammelten am Ende segnen.

Selbstverständlich nahm es seine Sache ernst. Sehr ernst. Die Wangen mögen also geglüht haben, die Hände gezittert, die Stimme vielleicht ein wenig gewackelt. Aber das Kind wollte nicht schuld sein, falls durch mangelhafte Segensübermittlung irgendwer nicht froh würde in diesen Tagen.

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