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Bücher

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Von: Judith von Sternburg

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Wer sich zu lange ungeschützt in der Sonne aufhält, kann einen Sonnenstich erleiden.
Leser möchten gerne über ihre gelesenen Bücher sprechen. © imago

Von Leserinnen und Nicht-Lesern und dem Problem, ausführlich über Bücher sprechen zu wollen.

Es muss schön gewesen sein, als es noch ganz wenige Bücher gab. Alle konnten mitreden. Sofern sie lesen und sich Bücher leisten konnten und sofern sie nicht auf dem Feld arbeiteten oder vor lauter Feldarbeit bereits tot umgefallen waren, sofern die Bücher außerdem nicht gerade verboten und nur ungehorsamen Mönchen und anderen gottlosen Gesellen zugänglich waren. Man kann aber immer unken und an allem herumnörgeln, es muss trotzdem schön gewesen sein.

Es gab ganz wenige Bücher, man las sie so oft, wie man heute Puccinis „Turandot“ oder Eilishs „Happier Than Ever“ hört, und mit der entsprechenden kennerischen Leidenschaft unterhielt man sich auch mit anderen darüber, die lesen konnten etc.. Später wurde es irgendwie kompliziert. Das vorläufige Ende vom konstruktiven Gespräch über Bücher war jener berühmte Bus-Dialog: Mädchen (liest). Junge – er lese ja gar nicht gern. Mädchen (schaut nur kurz auf) – sie lese Harry Potter. Junge – Harry Potter, das sei doch nicht lesen. Was nur bedeuten kann, dass Bücher langweilig sind, Harry Potter ist aber nicht langweilig, also ist Harry Potter kein Buch. Ein ungültiger Syllogismus. Aber das Mädchen aus der Anekdote kann den Jungen nicht zurechtweisen, denn die beiden turteln längst dumm rum und sind abgelenkt.

Ja, es ist schwierig geworden, über Bücher zu sprechen. Jeder hat ein anderes gelesen. Perfekten Buchhändlerinnen und Buchhändlern kann man sagen, man habe von diesem Buch gehört, das in etwa A….z heiß, die Autorin wiederum heiße ungefähr Z ... a, und die perfekten Buchhändlerinnen und Buchhändler lächeln freundlich und ziehen das gesuchte Buch aus dem Regal. Und erzählen in Ruhe von dem Buch, nicht zu viel für die Person, die das Buch jetzt lesen wird (viel zu viel natürlich für die Person, die derweil an der Kasse wartet). Das Bedürfnis, über ein Buch zu sprechen, wird an solchen Stellen noch einmal voll befriedigt (heillos überstrapaziert, denkt die wartende Person, aber wie Sie sehen, kommt es auf die in diesem Text wirklich nicht an).

Freilich geht heute nicht mehr jeder Mensch in eine Buchhandlung. Dem Internet wäre es auch lieber, wenn man eh dort bliebe, also im Netz. Zu seinen rührendsten Errungenschaften gehören darum Apps, die Gespräche über Bücher, den Aufenthalt in einer Buchhandlung elektronisch nachstellen wollen. Tertulia, der neueste Schrei aus der englischsprachigen Welt, sammelt ein, was in sozialen Medien dahingeplaudert oder auch rausgehauen wird und lässt teilhaben am großen Plausch über Literatur. Neulich entstand der Eindruck, man müsse sofort einen Roman von Sir Walter Scott lesen. Titel vergessen. Blöd. Irgendwas mit A oder Z.

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