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Auf den Mond

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Von: Judith von Sternburg

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Auf dem Mond ist man zugleich weit weg und winzig und auf dem Präsentierteller.
Auf dem Mond ist man zugleich weit weg und winzig und auf dem Präsentierteller. © Matthias Bein/dpa

Gelegentlich will man gerne jemanden zum Mond schießen. Dabei ist da oben schon einiges los und demnächst wohl noch mehr. Die Kolumne „Times mager“.

Wer jemanden im Affekt für immer loswerden will – ein hochdramatischer Widerspruch –, wählt vielleicht die zivile Wendung: „Ich könnte den und den oder die und die zum Mond schießen“. Effet und die Einsicht in die totale Unmöglichkeit (früher technischen, heute finanziellen Ursprungs) verbinden sich hier herzerfrischend. Und kein Kommissar sagt nachher streng: „Haben Sie nicht erklärt, Sie könnten N.N. auf den Mond schießen?“.

Viele könnten beispielsweise zwischenzeitlich ihre Kinder zum Mond schießen. Dabei müssen sie keine Magie fürchten, denn das Konjunktivische ist obligatorisch. Hinzu kommt das leise Verträumte, das fiktive Mondtouren begleitet. Darum war es so lehrreich, was für ein Höllenspektakel im großartigen Film „Aufbruch zum Mond“ in der Rakete herrscht. Als die Mondfahrerei noch ehrliche Arbeit war, verließ der Mensch die Atmosphäre seines Heimatplaneten nicht undurchrüttelt.

Wen man ernsthaft satt hat, schickt man in die Wüste. Darum ist der Perfekt am Platze: „Ich habe ihn oder sie in die Wüste geschickt.“ Verflixt, zu spät.

Aber wie sind wir jetzt darauf gekommen? Weil eine müde Mutter in der U4 zu ihrem Sohn sagte, sie könnte ihn echt zum Mond schießen, und der Sohn rief: Au ja, au ja, und beide mussten lachen. Weil ferner Jeff Koons ankündigen lässt, dass er noch in diesem Jahr Kunstwerke auf den Mond schießen lassen will. Erdlinge sollen sie als NFTs erwerben können. Hat Koons es nicht eben erst als Autolackierer ins Times mager geschafft? In der Tat (FR v. 21. Februar), aber diesmal geht es nicht um POP!, sondern „universelle“ Kunst, die auf „humanistischem und philosophischem Gedankengut beruht“. Keine Panik, die unbekannten Objekte, liest man, sollen in Minisatelliten ver-sendet werden. Etwa zehn Zentimeter Kantenlänge, heißt es.

Die Geschmacklosigkeit der Aktion ist so offenbar, dass man nicht darauf herumhampeln muss. Nehmen wir sie als Gelegenheit, daran zu erinnern, dass schon einmal Kunst zum Mond geschickt worden ist (also abgesehen von den Gerüchten, was sich dort alles befindet, und auch abgesehen von der Möglichkeit, dass es sich um eine weitere abgefeimte Studioaufnahme handelt). „Fallen Astronaut“ heißt die kleine Figur des Belgiers Paul Van Hoeydonck, die seit 1971 neben einer Tafel, die viel größer ist als sie, auf dem Bauch liegt und an tote Astronauten und Kosmonauten erinnert. Eine antikommerzialistische Geste der Demut, selbst der Name des Künstlers trat später nur durch eine Indiskretion zutage.

Darauf läuft es hinaus: Auf dem Mond ist man zugleich weit weg und winzig und auf dem Präsentierteller. Mann und Hase wissen es seit Urzeiten.

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