Xiexin Dance Theatre mit „T.I.M.E.“ in Darmstadt: Der Erinnerungsfluss

Das Xiexin Dance Theatre aus Shanghai gastiert mit „T.I.M.E.“ im Staatstheater Darmstadt.
Drei Fragen werden der Choreografin Xie Xin im Programmblatt zum Gastspiel ihrer Company mit der Choreografie „T.I.M.E.“ gestellt, die erste lautet: „Gibt es einen Unterschied zwischen der westlichen und der östlichen Wahrnehmung von Zeit?“ Die Erfahrung, antwortet Xie Xin, sei „fast dieselbe“, doch „bei uns im Osten ist das innere Gefühl ruhiger und man spürt die unterschiedlichen Schichten der Zeit“. Diese größere Ruhe scheint auch für die Bewegungsprache zu gelten, denn nach Beobachtung der Kritikerin kennzeichnet die chinesische Variante modernen Tanzes eine auch in aufgewühlten Momenten fließende, gleitende, gerundete, weich-harmonische, sich oft in elegischen Schwüngen, in einem Sinken und anstrengungslosen Wiederaufbäumen ausdrückende Körpersprache.
Das gilt nicht nur für das in Shanghai beheimatete Xiexin Dance Theatre, das jetzt auf Einladung des Hessischen Staatsballetts mit dem 75-minütigen „T.I.M.E.“ in Darmstadt zu Gast war. Altmodische Kaffeehausstühle, ein paar schlichte Holztische rufen die Vergangenheit auf (Bühne: Hu Yanjun), gegen Ende fällt besinnlich der Papier-Schnee. Tänzerinnen und Tänzer tragen weite beigefarbene Kleidung, teils auch Schichten übereinander (Kostüme: Li Kun). Richtig hell wird es auf der Bühne nur manchmal (Lichtdesign: Low Shee Hoe), was die Atmosphäre konzentrierter Stille verstärkt. Und schließlich knurpselt auch die etwas unterkomplexe Musik Sylvian Wangs nicht eben dringlich vor sich hin.
Der Tanz, ein Traum
Tanz kann gar nicht anders, als Bewegung in Zeit und Raum zu sein. Entscheidend aber ist die jeweilige Atmosphäre, die er erzeugt, seine Färbung. Und diese ist hier überwiegend besinnlich-melancholisch, manchmal wirkt er ausgeführt wie im Traum. Wenn sich zum Beispiel ein im Bühnenvordergrund ausgeführtes Trio im dämmerigen Hintergrund doppelt – sehr exakt doppelt, denn das Ensemble ist wunderbar präzise –, nimmt man die hintere Gruppe wie eine Erinnerung, wie ein Fata Morgana wahr. Überhaupt geht es um Spiegelungen, Wiederholungen, um nie aggressive, eher fragende, suchende Begegnungen.
„T.I.M.E.“ bewegt sich wie in Zeitschlaufen. Es ist auch darum ein Stück, bei dem man zur Ruhe kommen, auf Details achten, sich an den geschmeidigen Körpern erfreuen kann. Die Schichten der Zeit erfahren? Hier kommt man als Zuschauerin nahe dran.