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Wo die Wölfe heulen

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Von: Andrea Pollmeier

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„Wickie und die starken Männer“ im Schauspiel Frankfurt.
„Wickie und die starken Männer“ im Schauspiel Frankfurt. © Jessica Schäfer

Robert Gerloffs „Wickie und die starken Männer“ im Schauspiel Frankfurt: Ein Stück über weibliche Führungsqualitäten.

Angst lässt sich überwinden. Dazu braucht es weder Muskelkraft noch Keulen, sondern vor allem viel Verstand. Mit dieser unmissverständlichen Botschaft startet „Wickie“, die Tochter des Wikingerkönigs Halvar (Michael Schütz), ihren Weg ins Erwachsenwerden. Die zeitlos erzählte Geschichte des dänischen Autors Runer Jonsson, die 1965 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet worden ist, hat Regisseur Robert Gerloff in seiner Inszenierung am Schauspiel Frankfurt dezent aktualisiert und gestrafft.

Wickie ist nun eindeutig ein Mädchen und behauptet sich zwischen starken Männern vor allem anhand ihrer Klugheit. Bemerkungen zu Klimakrise oder Genderfragen sind ebenfalls neu hinzugefügt. So ist ein demonstrativ auf die moderne Pädagogik abgestimmtes Stück entstanden, das weibliche Führungsqualitäten in den Fokus rückt.

Ohne Zweifel ins Abenteuer

Robert Gerloff, der am Schauspiel bereits „Die Reise nach Kallisto“ inszeniert hat, navigiert das Wikinger-Stück streng auf Kurs. Ohne viele Schnörkel und Zweifel geht der Weg direkt auf all die Abenteuer zu, die beim Coming-of-Age-Prozess unausweichlich sind. Dazu passt auch ein stets genau ausbalanciertes Bühnenbild mit Videohintergrund (beides: Maximilian Lindner), das sich nicht in kleinteiligen Dekorationen verliert, sondern die Schwerpunkte der Erzählung schnörkellos ins Zentrum rückt.

Noch bevor der Vorhang verschwindet, präsentiert sich Wickie (Annie Nowak) den Zuschauenden als Erzählerin und bekennt offen, dass ihr auf den Streifzügen durch die Wälder ihrer Heimat oft vor Angst die Knie schlottern. Dann zum Beispiel, wenn Wölfe die Nacht unsicher machen. Das Stichwort führt unmittelbar hinein in die Erzählung. Wolfsgeheul ertönt, es ist dunkel und einen kurzen Moment auch unheimlich. Wickie nun im Spotlight stehend, zittern die Knie, ihre Reise in die Welt und ins Erwachsenwerden beginnt mit einem klaren Schnitt. Lautes Schlagzeug, live eingespielt von der Bühnenseite aus, verjagt die Angst.

Der Vorhang hebt sich. Die Szene zeigt eine friedliche Welt. Man sieht ein nordisches Holzhaus mit Wachturm und vier kräftigen Männern (neben dem König auch drei Wikinger, gegeben von Stefan Graf, Nils Kreutinger, und Sebastian Reiß) davor, sie tragen rote, grüne, gelbe und blaue Kleidung aus robustem, filzartigem Stoff (Kostüme: Johanna Hlawica). Im Hintergrund eröffnen Videoimpressionen den Blick auf eine weite Hügellandschaft. So klar strukturiert, fällt die Orientierung leicht. Man weiß gleich, wer zu wem gehört und wer hier – korpulent und etwas vorlaut – der Chef im Lande ist.

Wie üblich im pubertätsreifen Alter kommt es zwischen Vater und Tochter zu Streitigkeiten. Während sich Vater Halvar für die ängstliche Tochter schämt und ihre pfiffigen Ideen nicht zu schätzen weiß, klärt Mutter Ylva (Susanne Buchenberger) die Lage mit wenigen Worten : „Jeder wie er kann“.

Mit dieser Vorgabe ziehen „Wickie und die starken Männer“ los. Ein großes weißes Schiff segelt mit musikalischer Untermalung (Musik: Cornelius Borgholte) und auf kreisförmigem Kurs heran, gleichzeitig bewegen sich rechteckige Seitenflächen vertikal hoch und nieder. Dieses lebhafte und zugleich streng strukturierte Bewegungsspiel spiegelt eingängig den nun einsetzenden Wechsel von Ort und Zeit wider. Es folgen Auseinandersetzungen mit dem fleischsüchtigen König (Abdul Aziz Al Khayat), einem Gespenstervolk und mit dem Schrecklichen Sven (Amaru Albancando), dessen schwarz-rot gekleideten Anhänger bald nicht mehr Gegner, sondern – in tiefer Eintracht – Freude sind. Wo, wenn nicht in Frankfurt, könnte dieses Bild besser verstanden werden.

Schauspiel Frankfurt: Bis 25. Dezember. www.schauspielfrankfurt.de

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