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Theater Willy Praml
Wenigstens erzählen wollen sie
- vonSteffen Herrmannschließen
Das Theater Willy Praml lädt „auf ein Stündchen“ zum Spazierengehen.
Zehn schwarze Regenschirme liegen bereit, sorgsam nebeneinander aufgereiht, vor der Frankfurter Naxoshalle. Man könnte sie für Requisiten halten, für Teile der Ausstattung eines Stücks, das drinnen geprobt wird, aber an diesem verregneten Samstag sind sie vor allem eine nette Geste.
Denn das Theater Willy Praml hatte „auf ein Stündchen“ eingeladen – zu einem Spaziergang. Für sieben ausgewählte Freundinnen und Freunde des Theaters sollte es eine Premiere der anderen Art sein: Mit Ensemblemitgliedern durch Frankfurt schlendern. Pandemie-gerecht zu zweit, mit Abstand und Maske. Ein Spaziergang, damit „der Kontakt zwischen unserem Theater und seinen Zuschauern nicht reißt“, wie es auf einem Flugblatt heißt, das am Tor der Naxoshalle ausliegt.
Ohne Begrüßung, ohne Ansprache geht es los, die Paare aus Theaterfreunden und Ensemblemitgliedern schwärmen aus. Eine Stunde haben sie Zeit.
Die Schauspielerin Birgit Heuser führt den Reporter schnellen Schrittes durch die Stadt. Seit mehr als zwanzig Jahren wohnt die gebürtige Kölnerin hier, sie hat viel zu erzählen: Wie sie damals Theater machten, nomadenhaft, an wechselnden, oft auch theaterfremden Orten, wie sie sesshaft wurden, die Naxoshalle eroberten und von dort beobachteten, wie aus dem verkommenen Industriegebiet vor den Toren ihrer Spielstätte ein neuer Stadtteil entstand, sauber, aber auch etwas leblos.
„Wie Entzug ist das“
Es geht vorbei am Zoo, zum Literaturhaus, an den Main. Hochwasser. Heuser berichtet aus ihrem Alltag. Seit November sind Kultureinrichtungen geschlossen. Lockdown, das heißt: Kein Auftritt vor Publikum. „Wie Entzug ist das“, sagt Heuser. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie, die sich auch um die Finanzen des kleinen Theaters kümmert, trotzdem genug zu tun: Das Theater wird 30 Jahre alt, sein Gründer und Namensgeber feiert 80. Geburtstag. Eine ganze Woche soll dieses doppelte Jubiläum zelebriert werden, das Festival „An den Ufern der Poesie“ im Mittelrheintal muss organisiert werden. „Und die Finanzierung steht wie immer nicht.“ Dazu all die Stücke, die geprobt, aber noch nicht aufgeführt werden konnten. Ermüdend sei das, sagt Heuser.
Zurück an der Naxoshalle. Einzeln kehren die Pärchen zurück. Das „Stündchen“ ist vorbei, die Abschiede fallen nüchtern aus: Hinter der Maske mag ein Lächeln sein, Umarmungen, ein Händedruck sind nicht erlaubt. Immerhin: Für etwas mehr als eine Stunde ist es trocken geblieben, die Regenschirme blieben ungenutzt. Ein gutes Zeichen für kommende Theaterspaziergänge, freitags und samstags, nach Anmeldung.
Mehr Informationen und Buchung unter theaterwillypraml.de