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„Victory Condition“ in Frankfurt: Vielleicht geht es noch mal gut, aber eher nicht

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Von: Judith von Sternburg

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Gleich monologisieren sie los: Miriam Schiweck (l.) und Andreas Vögler in „Victory Condition“. Foto: Robert Schittko
Gleich monologisieren sie los: Miriam Schiweck (l.) und Andreas Vögler in „Victory Condition“. Foto: Robert Schittko © Robert Schittko

Chris Thorpes „Victory Condition“ in der Schauspiel-Box.

Victory Condition“ meint im Computerspiel die Bedingungen, die zum Sieg und damit zum Ende des Spiels führen. Chris Thorpe nutzt den auch in Katharina Schmitts deutscher Fassung unübersetzt bleibenden Begriff, um Kenner und Kennerinnen darauf hinzuweisen, dass hier ein Konstrukt waltet, das nach bestimmten Regeln funktioniert. Wir hier auf der anderen Seite kennen sie bloß nicht.

Sich darauf einzulassen, ist aber nicht uninteressant, es ist nicht einmal unangenehm, zumal Miriam Schiweck (vom Studiojahr Schauspiel) und Andreas Vögler in einem nur knapp angespannten Konversationston recht entgegenkommend wirken – knapp angespannt bedeutet bei Vögler eine beunruhigend ans Aggressive heranreichende, aber nicht hineinkippende Intensität. Schiweck ist eine Spur verbindlicher. Im Schuhkarton der Frankfurter-Schauspiel-Box ist alles auf Draht und zwar sofort, Antonia Mahrs nette Abendgarderoben, die Schuhe sind aber schon ausgezogen, täuschen eine Heimeligkeit vor, Katharina Oleksinska hat das Interieur, Wohnzimmer, Küchenzeile, allerdings komplett mit Plastikfolie überzogen. Also auch die Kaffeetassen und die Kaffeekanne, aus der sich das Paar ohne Unterlass bedient.

Am Staatstheater Mainz konnte man sich zuletzt anschauen, wie der Brite Thorpe (dort selbst mit auf der Bühne) in dem Anti-Atomwaffen-Stück „Family Business“ Dinge lässig zusammenführt, die scheinbar wenig miteinander zu tun haben. In „Victory Condition“ gilt das erst recht. Schiweck und Vögler tragen zwei ineinandergesteckte Monologe vor, die Stimmung, die Regisseurin Helena Jackson inszeniert, ist weitgehend konziliant.

Sie, was soll man sagen, erzählt, wie sie ins vertraute Großraumbüro kommt, aber da ist die Zeit stehengeblieben. Nur sie ist noch in Bewegung. Oder ist es umgekehrt, und sie hat es nur noch nicht gemerkt? Die Frau ist ein moderner Mensch wie du und ich, nichts lässt sie aus an Möglichkeiten. Könnte sein, dass sie mit einer Gehirnblutung auf einem Bahnsteig liegt. Könnte sei, dass sie der letzte Mensch auf Erden ist, der sich noch bewegen kann und an dem es jetzt hängen wird, ob jemals wieder etwas in Gang kommt. Das wäre eine große Verantwortung. Angesichts von Schreckensbildern, die wir alle kennen, die durch unser Leben mitrauschen, im Internet, in der Tagesschau, bis wir – zum Beispiel, weil wir in der Ukraine wohnen – auf einmal selbst und direkt in diesen Bildern stecken, angesichts von solchen Schreckensbildern also wird Schiweck nur ein einziges Mal laut und verzweifelt.

Was ein „Vorhalt“ ist

Er hat eine ganz andere Perspektive. Er ist ein Mann, der von einem bequemen Standpunkt aus gleich jemanden erschießen wird. Vermutlich die Demonstrantin auf der anderen Seite der Barrikade. Die Frau ist ihm sympathisch. Er kennt das Geschäft oder hat sich gut vorbereitet. Hier kann man unter anderem lernen, was ein Vorhalt ist.

Schiweck und Vögler trinken Kaffee, zwischendurch ist das Brathuhn gar, im Großen und Ganzen bleibt es friedlich, während es in den Hirnen rast und aus den Mündern die ungeheuerlichsten Sätze kommen. 50 Minuten lang. Es bleibt aber eine Unsicherheit, ob ein Marsianer bei dieser Gelegenheit womöglich mehr über den Menschen erfahren würde als der Mensch selbst, in diesen Dingen schon recht abgehärtet.

Schauspiel Frankfurt, Box: 10. April. www.schauspielfrankfurt.de

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