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Theaterküsse auf dem Prüfstand

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Von: Judith von Sternburg

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Aussichten: „Eternal Peace“, hier noch als Serie.
Aussichten: „Eternal Peace“, hier noch als Serie. © Schauspiel Frankfurt

Das Schauspiel Frankfurt vor der Saison 21/22.

Spielplanvorstellungen sind Veranstaltungen eigener Art, und es ist eigentlich ganz schön, dass gegenwärtig viele Menschen einmal zwanglos hineinschauen können, so auch in die des Schauspiels Frankfurt, die weiterhin online abrufbar ist. Man ahnt etwas von dem großen Sprung – und „großer Sprung“ ist ein Euphemismus für einen sicher hochdramatischen Hindernislauf –, der zwischen dem Papier und der Theateraufführung stehen muss. Stünde er nicht dazwischen, könnte man sich nicht darauf verlassen, dass er kommen wird und mit ihm die Verwandlung, das Wunder, die Erschaffung eines neuen Kunstwerks, dann wäre die Lage der Theater verzweifelt und besser bliebe man im Ohrensessel sitzen und läse ein Buch. Natürlich ist es trotzdem interessant, sich anzuhören, was das Team der Dramaturginnen und Dramaturgen am Schauspiel Frankfurt über die für die Spielzeit 2021/22 vorgesehenen Stücke sagt.

Beim Öffnen der Pressemappe elektrisiert aber zuerst einmal der Plan für den Juni / Juli. Wenn alles gut geht und die Städtischen Bühnen Frankfurt wieder für Publikum vor Ort spielen dürfen – und nach dem Opernintendanten Bernd Loebe zeigte sich am Mittwoch auch Schauspielintendant Anselm Weber zuversichtlich –, dann sollen bis zum 7. Juli allen Ernstes zehn Premieren auf die Bühnen des Schauspielhauses, der Kammerspiele und des Bockenheimer Depots kommen. Aus der Filmsphäre in die analoge Welt wechseln könnten noch flink Nuran David Calis’ „NSU 2.0“ (13. Juni) und Alexander Eisenachs „Eternal Peace“ (3. Juli). Vorgesehen ist auch „Der Theatermacher“ in der Regie von Herbert Fritsch als Premiere im sehr, sehr lange nicht mehr für Publikum offenen Schauspielhaus (20. Juni). Realistisch, so Weber, sei ein Start am 10. bis 12. Juni.

Bisher alles gut überstanden

Das Theater habe die Krise bisher gut überstanden, betonte Weber, mit Glück, aber auch mit Konzept und kompetenter Hilfe, medizinisch wie verwaltungstechnisch („Stichwort Kurzarbeit“). Die Folge: Es habe unter den 1100 Beschäftigten der Städtischen Bühnen keinen einzigen schweren Corona-Fall gegeben und der finanzielle Schaden von voraussichtlich ungefähr 13,6 Millionen Euro werde komplett aufgefangen. Da Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist, sagte Weber aber auch, und dies bereits mit Blick auf nächste Spielzeit: „Die Frage, ob es den berühmten Theaterkuss geben wird, würde ich im Moment sehr defensiv beantworten.“ Das werde man sicher im Einzelnen prüfen müssen, sagte Weber, und am heimischen Bildschirm wächst der Wunsch, ein Corona-Stück von Thomas Bernhard zu sehen. Aber: Gut, dass bisher alles gut gegangen ist!

Die Spielzeit beginnt mit „Öl!“ nach Upton Sinclair (Regie: Jan-Christoph Gockel, Schauspielhaus) am 16. September. Direkt darauf folgen Bühnenfassungen von Irmgard Keuns Frankfurt-Roman „Nach Mitternacht“ (Regie: Barbara Bürk, Kammerspiele) am 17. September und von Kleists „Michael Kohlhaas“ (Regie: Felicitas Brucker, Schauspielhaus) am 19. September.

Häufig fiel das Wort „eigentlich“, weil eigentlich für 2020/21 geplante Projekte nachgeholt werden sollen, darunter Witold Gombrowiczs „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ (23. Oktober, Schauspielhaus) in der Regie von Mateja Koleznik, die durch Fügung eine Art Regisseurin in Residence in Frankfurt sein wird. Im Januar folgt ihr Blick auf Ibsens „Hedda Gabler“ (Schauspielhaus), an der Oper inszeniert sie im Mai 2022 „Madama Butterfly“.

Geplant sind Ur- und Erstaufführungen von Arbeiten Gerhild Steinbuchs, Nis-Momme Stockmanns, Wilke Weermanns und Anja Hillings. Alexander Eisenach entwickelt ein Stück zum „Großen Kunstraub“ im Bockenheimer Depot. Elfriede Jelineks Corona-Text „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“, am Schauspielhaus Hamburg als Uraufführung angekündigt, wird im Februar in der Regie von Stefan Bachmann in Frankfurt zu erleben sein.

Das Junge Schauspiel unter Leitung von Martina Droste springt wie immer mittenhinein in die Frankfurter Realität mit mehreren inklusiven Projekten. „Share“ soll zum Spielzeitende „Generationen, Schulformen, Communities“ im Bockenheimer Depot zusammenbringen, unter anderem zur Frage, so Droste: „Wer macht Theater für wen?“ Rechtzeitig vor Weihnachten kommt am 13. November das Familienstück „Wicky und die starken Männer“ (Regie: Robert Gerloff).

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