Theaterhaus Frankfurt: „Nichts als die Wahrheit“ – Die Lüge kommt in Schwarz

Im Theaterhaus Frankfurt heftet sich das Kollektiv „Monstra“ der Wahrheit an die Fersen. Von Johanna Krause
Nach krankheitsbedingter Verzögerung feiert das Theaterkollektiv „Monstra“ endlich Premiere im Theaterhaus Frankfurt. „Nichts als die Wahrheit“ heißt das Stück. So ganz stimmt das aber nicht. In der Soloperformance von Gesa Bering wird geflunkert, was das Zeug hält, und voller Überzeugung von blauen Bananen, Einhörnern und übergroßen Mäusen erzählt.
Gesa Bering kommt direkt zur Sache. Sie möchte die Arbeit schwänzen, erklärt sie. Also muss eine Ausrede her. Das junge Publikum hilft ihr dabei und ruft Optionen rein: ein wichtiger Krankenhausbesuch, eine abgefallene Fahrradkette, ein abgebrochener Hausschlüssel. Geschichtenausdenken macht richtig Spaß. Es wird gelacht und fantasiert. Das Bühnenbild von Judith Altmeyer unterstreicht dabei das Spiel mit verschiebbaren Würfelboxen, deren farbige Seiten fortan zur Lösung des Rätsels gehören, was Wahrheit und was Lüge ist. Die Lüge kommt in Schwarz, die Wahrheit in bunten Tönen.
Meint sie das jetzt ernst?
Als die Performerin kurzzeitig die Bühne verlässt und das Stück unterbricht, geht ein unsicheres Murmeln durch den Saal: Kommt sie etwa nicht wieder?, fragen sich einige. Der kurze Moment deckt die realen Konsequenzen dieser Lüge auf und lässt den Spaß in einem neuen Licht erscheinen. Glücklicherweise kommt sie zurück.
Gesa Bering plaudert munter weiter. „Wenn du sagst, die Rente ist sicher, dann muss ich mir keine Sorgen machen“ oder „Ich heile dich, wenn es dir schlecht geht, und vertraue darauf, dass es stimmt“– Manche Aussagen stimmen, andere nicht. Aufgelöst wird das schlussendlich immer. Auch für die Darstellerin hat das Spiel Konsequenzen und heimst ihr später ordentlich Ärger ein: „Kinder gibt es nicht“, ruft eine unkontrollierbare Off-Stimme aus dem Lautsprecher, die vage Behauptungen verbreitet. „Da sitzen doch 80 davon im Theatersaal“, entgegnet sie.
Das Stück zeigt, dass Wahrheit am Ende immer aufgeht, aber Zeit und Vertrauen braucht. Die Lüge ist spannend, sie reizt. Sie ist schnell und bequem. Sie kann aber auch Schaden anrichten und sich verselbstständigen. Die deutsche Philosophin Bettina Stangneth versteht Lügen auch als Dialog und schreibt in ihrem Buch „Lügen lesen“ von einer „Verantwortung des Zuhörens“. Mit dem Nachdenken über die Wahrheit kann eine Lüge aufgedeckt und entlarvt werden. Das Kollektiv „Monstra“ mit Katharina Speckmann und Kim Willems arbeitet mit dieser These und spielt bewusst mit den Mitteln des Theaters. Vor dem Hintergrund von weiter sich verbreitenden „Fake News“ im Internet haben sie sich entschlossen, die Thematik theatral aufzugreifen, erklären sie im Gespräch. Ohne zu Moralaposteln zu werden, verbinden sie Performanceelemente mit musikalischer Untermalung und schaffen einen Raum zum Nachdenken, ohne Antworten vorzugeben.
Theaterhaus Frankfurt: 15., 17. Mai. Ab sechs Jahren. www.theaterhaus-frankfurt.de