Tanzstück „Welcome Everybody“: Applaus für die Nebelmaschine

„Welcome Everybody“, ein verspieltes Tanzstück von Pierre Rigal in Mainz
Der französische Choreograf Pierre Rigal hat vom Sport aus, er war Hürdenläufer, zum Tanz gefunden. Für die Olympischen Spiele 2024 wird er das Eintreffen des Olympischen Feuers in Paris und Marseille choreografieren, je 200 Läuferinnen und Läufer sollen beteiligt sein. Am Mainzer Staatstheater standen ihm nur 13 Tänzerinnen und Tänzer zur Verfügung, aber das genügt völlig für ein launiges Stückchen: „Welcome Everybody“.
Der Titel bedeutet glücklicherweise nicht, dass das Publikum auf die Bühne des Großen Hauses strömen soll. Beachtet werden in diesem gut einstündigen Tanzstück die Dienerchen jeder Theateraufführung, allem voran die Kostüme (kunterbunt entworfen von Lucia Vonrhein). Die Züge und Zugstangen führen schon fast ein eigenes schwungvolles Ballett auf, sausen rauf und runter, bis sich das Ensemble an sie hängt (keine Sorge). Der Boden wird gewürdigt, zusammen mit jenen, die ihn präzise verlegen und mit Klebstreifen befestigen. Der Theaternebel zischt. Sogar das Stroboskoplicht wird mit einem Rap bedacht (wandelbare, gut gelaunte Musik: Gwen Drapeau) und hat einen hippeligen Auftritt.
Haben wir geschrieben: allem voran die Kostüme? Nein, zuerst kommen diejenigen, die sie präsentieren, zuerst wird das Ensemble namentlich begrüßt aus dem Off, während Zuschauerinnen und Zuschauer um Applaus gebeten werden. Und nochmal. Und nochmal. Die dreizehn gehen ab, sie treten auf. Da kann das Publikum gleich darüber staunen, die exakt sich die Auftritte ähneln, wie jede Geste, jede Mimik, jede Sekunde Bewegung sitzt.
Für jeden, jede eine Variante
Pierre Rigal versteht sich auf Jux und Effekt, doch wie von selbst geht der Jux oft über in eher verhaltenen, detailreichen Tanz. Das energiereiche Unisono-Ensemble ist nicht so das Ding des Franzosen. Lieber bastelt er mit jeder Tänzerin, jedem Tänzer an intrikaten und individuellen Bewegungsfolgen, die sich wie von selbst entwickeln. Oder als spielte man mit den Möglichkeiten, ohne sie zu strapazieren.
An einem Tänzer werden gleichmäßig die vom weißen Tanzboden gelösten Klebestreifen befestigt, sie linieren gleichsam die Bühne – aber ehe man anfangen kann, den Gefesselten zu bedauern, befreit er sich auch schon. Alles läuft hier ohne Aufregung. „Welcome Everybody“ ist trotz seiner Scherze, trotz der munteren Musik, kein lautes Stück. Es arbeitet mehr mit dem Augenzwinkern, mit einem Schmunzeln, als mit grobem Slapstick. Das Publikum wird erwähnt, weiße Bodenbahnen werden aufgehängt und scheinen zu Leinwänden zu werden, man denkt: oh je, sie werden doch nicht ins Publikum filmen, damit wir uns selbst beklatschen… aber nein, so voraussehbar ist Rigals Stück nicht.
Auch „Welcome Everybody“ hing, wie in den Pandemie-Jahren manches Tanzstück, in der Warteschleife, eigentlich sollte es bereits 2020 Premiere haben. Aber da es offenbar gar nicht als für die Corona-Zeit typische Bitte-Abstand-Halten-Choreografie konzipiert war, ist es auch nicht gealtert. Das Publikum, in dieser Saison auch durch ein sehr starkes Festival verwöhnt, das vierte „Tanzmainz Festival“, klatscht zuletzt (auch unaufgefordert) enthusiastisch, es hat sein Ensemble ins Herz geschlossen.
Staatstheater Mainz: 4.-7. Mai, 14., 16., 17., 21., 28. Mai, 3. Juni. www.staatstheater-mainz.com