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Die Tänzerin als ganzer Kerl

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Von: Sylvia Staude

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Die Irin Oona Doherty macht den Macker.
Die Irin Oona Doherty macht den Macker. © Maria Falconer

Zwei höchst originelle französische Produktionen beim Mainzer Tanzfestival „Update“

Die Sitznachbarin hat die Person, die gerade vor dem Kleinen Haus des Mainzer Staatstheaters übers Pflaster tanzte, für einen Kerl gehalten. Schlabbernde Sportklamotten, Hip-Hop-Kunststückchen auf rauem Grund, aggressiver Habitus: da kann man durchaus denken, das müsse ein junger Mann sein. Es war aber die irische Tänzerin und Choreografin Oona Doherty, die ihr Solo „Hope Hunt & The Ascention Into Lazarus“ draußen vor dem Theater beginnen ließ, zu lauter Musik aus der Anlage eines Autos (ein Kumpel Dohertys hatte es am Anfang vorgefahren).

Dann waren die Zuschauer aufgefordert, ins U17 hinabzusteigen, wo „Hope Hunt“ weiterging. Und wo unterm Scheinwerferlicht sichtbar wurde, wie verblüffend perfekt sich die Tänzerin in einen Macker verwandelt, inklusive Stirnrunzeln, vorgeschobenes Kinn, herausfordernder Blick. Perfekt auch das Breitbeinige, Breitschultrige, der schnelle Griff in den Schritt, als gäbe es da ein dickes Paket zurechtzurücken. Und immer wieder zeigt Oona Doherty die zügige Verwandlung von geschmeidigen Tanzbewegungen ins Eckige, Kantige, manchmal geradezu vor Wut Vibrierende. Und immer wieder beginnt sie mit Wortsilben, schreit sie, schnaubt sie, keucht sie aus – und aus den Silben werden Wörter. Mit beeindruckender Intensität verkörpert sie einen jungen Mann, der gewaltig unter Druck steht, aber unbedingt souverän, cool wirken möchte.

Die irische Choreografin vertrat in Mainz das französische Produktionshaus La Briqueterie. Am Wochenende startete das kleine Zwischen-Tanzfest des Staatstheaters, das als „Update“ die Wartezeit bis zum nächsten großen Festival verkürzen soll, und es stellt diesmal auch diverse internationale Produktionsstätten vor, so auch noch aus Luxemburg und den Niederlanden.

Die Briqueterie, ein ehemaliges Ziegelwerk nahe Paris, ließ sich außerdem von dem Spanier Jordi Galí vertreten, dessen „T“ überschriebene Performance Installationskunst mit Kraft- und Balanceakten verbindet. So etwas war auf einer Theaterbühne noch nicht zu sehen – in der Tat scheint Galí auch meist von Museen eingeladen zu werden. Er zeigt „T“ aber auch draußen.

Da steht er und balanciert einen Balken auf den Schultern. Weitere Balken und Holzplanken, ein Autoreifen, kurze Holzleitern liegen bereit. Daraus baut der Tänzer ein Großgebilde in prekärem Gleichgewicht, schichtet und steckt die Einzelteile mehrfach um. Während hinten, einmal durch ein Gewicht in Schwung gebracht, Radspeichen über ein Mikro streichen und ein großer Holzarm mit Steingewicht pendelt. Er grollt und keucht (ein formidables Geräusch), wird immer leiser, bis er nach einer guten halben Stunde – die Zuschauer sind mucksmäuschenstill – seinen allerletzten Schnaufer tut.

Gegensätzlicher hätte sich das offenbar Experimenten zugetane französische Haus nicht präsentieren können. „T“ könnte auch ein Stück über die Geduld sein – die des Performers, aber auch des Zuschauers –, „Hope Hunt“ eines über den ruhelosen, ständig den ganzen Kerl herauskehrenden modernen Menschen.

Staatstheater Mainz: „Update“ bis 10. März. www.staatstheater-mainz.com

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