Spiel der (Körper-)Kräfte

Maria Campos und Guy Nader mit ihrer Company bei der Heidelberger Tanzbiennale.
Etwas überschneiden sich an diesem Wochenende die Tanzfestivals von Heidelberg und Mainz, Heidelberg endet, Mainz beginnt, in beiden Städten strömt ein offenbar entdeckungsfreudiges Publikum, das wahrscheinlich auch für noch mehr ausverkaufte Veranstaltungen sorgen würde. Es steht an diesem eisekalten Abend bis hinaus vor die Heidelberger HebelHalle, wo zur Halbzeit der Tanzbiennale die Company um die Choreografen Guy Nader und Maria Campos gastiert. Gerade haben die beiden fürs Mainzer Staatstheater gearbeitet, hatte ihr „Impetus“ für das Ensemble des Hauses Uraufführung (FR vom 27. Februar). Nun tanzen sie in dem knapp einstündigen „Time Takes the Time Time Takes“ auch selbst, dazu in dieser fordernden Choreografie Magí Serra, Lisard Tranis und Roser Tutusaus.
Für Stück um Stück greifen der Libanese und die Spanierin, die mit ihrer Truppe in Barcelona beheimatet sind, in einen übervollen Bewegungssetzkasten, in dem viele kraftzehrende Hebe- und Trage-Teilchen enthalten sind. Die beiden Frauen werfen sich auch mal einen der Männer über die Schulter, als wäre dies ein Leichtes. Fliegende, auch flipfloppende, durch den Raum hechtende Körper sind hier keine Zauberei.
Aber jede Choreografie von Nader/Campos hat auch eine eigene Färbung, einen eigenen Schwerpunkt. Diesmal beginnt es mit einer den gestreckten Arm wie eine präzise Maschine schwingenden Campos, rechts und links müssen sich Kollegen wegducken, um nicht getroffen zu werden. Die Bewegungsfolgen wiederholen sich minutenlang, man könnte meinen, man blickt auf ein Uhrwerk. Als Pendel fungieren später zwei Beinpaare, regelmäßig schwingen sie zwischen den hintereinander stehenden Tänzern hervor. Aber es gibt auch das Innehalten, wie wenn jemand beim Filmgucken auf den Pausenknopf drückt: „Zeit braucht die Zeit, die Zeit braucht“.
Rechts hinten strukturiert und rhythmisiert auch der Komponist Miguel Marin die Zeit, er tut dies vor allem am Schlagwerk und achtet dabei auf die Tänzer.
Eine gewisse sportliche Lässigkeit strahlen die Stücke von Campos/Nader aus, die beiden spielen während des Entstehungsprozesses mit ihrem Material, sie probieren vieles aus und gehen an die Grenzen (der Schwerkraft). Dann aber muss jeder Schritt, jedes Timing stimmen, damit die Rädchen so reibungslos ineinandergreifen können, wie sie das hier tun.
Es ist eine Art von Tanz, die in der freien Szene lange verdrängt war vom sogenannten Konzepttanz, dem die Idee wichtiger war als die Choreografie. Hier nun dreht sich alles um ein körperliches Ausprobieren und Ausloten, um ein freies, spannend anzusehendes Spiel der Körper und ihrer Kräfte.
Tanzbiennale Heidelberg: noch bis 4. März. www.theaterheidelberg.de