Und sie sind nicht glücklich

Albert Camus erstes Drama "Caligula" bleibt laborhaft kühl in der Schauspiel-Box. In ihrer Art wirkt die Inszenierung ausgeklügelt, Wagemut lässt der Abend vermissen.
Ein finsterer Raum, Wände aus geschwärztem Wellblech, der Boden ist mit Asche bedeckt. Fünf junge Schauspieler, angetan mit grafisch applizierten weißen Tuniken, mehr oder weniger den ganzen Abend über in einer gereihten Aufstellung. Es ist eine Situation des aufkommenden Weltenbrandes gewesen, in der Albert Camus 1938 sein erstes Drama „Caligula“ verfasst hat. Für die erst 1945 zuwegegekommene Uraufführung hat der französische Schriftsteller und Philosoph es unter dem Eindruck von Parallelen zwischen Caligula und Hitler umgearbeitet, eine parabelhafte Lesart ist möglich, aber nicht zwingend. Derer enthält sich der als Regieassistent am Frankfurter Schauspiel engagierte Dennis Krauß in seiner Inszenierung für die Box.
Es ist jene Sorte hermetischer Inszenierung, bei welcher der Mitschnitt als Hörspiel taugen würde. Ohne Unterlass spielt David Hirst, der mit Worten nicht groß geforderte Darsteller des Helicon, auf der elektrischen Gitarre einen Soundtrack aus atmosphärischen, bisweilen auch perkussiven Klängen, mit Schichtungen im Loopverfahren.
Ein Irrer, kein Zweifel, vom ersten Augenblick an: der kolosshaft proportionierte Björn Meyer stattet den Titelunhold mit einem wässrig-wahnhaften Blick aus. „Die Menschen sterben und sie sind nicht glücklich“. Dieser sentenzhafte Satz fällt recht bald. In dem prototypischen Drama des Absurden, Camus sprach von der „Tragödie der Erkenntnis“, verfällt der ursprünglich als „gerecht“ geachtete römische Kaiser nach dem Tod seiner Schwester und Geliebten Drusilla den Allmachtsphantasien eines Terrorregimes – unter der Erkenntnis, dass es einen höheren Sinn im Zeitalter nach der Verabschiedung des Gottesglaubens nicht gibt. Er tut Frauen Gewalt an und wird zum Massenschlächter. Der dünnen, hell timbrierten Stimme von Björn Meyer ist zuweilen die Unterströmung eines kindlich naiv verstörten Staunens eigen. Bemerkenswert entkörperlicht wirkt dieser Caligula.
Die übrigen Figuren – Alex Friedland und Justus Pfankuch als die beiden Verschwörer Scipio und Cherea, Yodit Tarikwa als Caligulas Mätresse Caesonia – kommen sprechenden Statuen gleich. In einer der frühen Szenen formieren sie sich zum Chor und der Text wird nach Art einer Sprechpartitur aufgefasst. Camus’ Uraufführungsfassung endet mit einem Tyrannenmord, in der späteren Inszenierung des Schriftstellers 1958 in Paris legt Caligula selber Hand an sich; Krauß indes hält das Ende offen.
Alles geschieht unter einer Lichtdramaturgie wechselnd fahler, mal auch neongleißender Stimmungen. Keinerlei Blutdrastik. Caesonia wird dezent während eines Tänzchens in einem Winkel dahingemeuchelt, Scipio schneidet sich mimisch mit der Hand die Kehle durch.
Die Inszenierung – eine gute Stunde braucht sie nur für den komprimierten Vierakter – bleibt laborhaft kühl. In ihrer Art wirkt sie ausgeklügelt; die Figuren sind bei Camus nicht mehr als Ideenträger, insofern entspricht die glasklare szenische Sprache der Vorlage. Wagemut allerdings lässt der Abend in seiner theaterschulübungsmäßigen Artigkeit vermissen.