„Shakespeare in Love“ in Mainz: Wie es fast wirklich war

Das Staatstheater Mainz macht sich einen liebevollen Jux mit „Shakespeare in Love“.
Wer mit dem erfolgreichen Film „Shakespeare in Love“ gar nicht so viel anfangen konnte – zu viel Liebe, zu viele traurige Blicke von Ralph Fiennes’ kleinem Bruder –, wird seither durch die Theateraufführungen im Sommer mehr als getröstet. Marc Norman und der große Tom Stoppard schrieben das Drehbuch, Lee Hall stellte die Bühnenfassung her. Und natürlich will ein Stück über das Theater am Ende ins Theater und gerne auf eine Bühne, bei der man noch die wichtigen Bretter sieht.
Und am liebsten will es für ein Publikum aufgeführt werden, das nicht nur an den hübschen Lippen des Hauptdarstellers hängt, sondern auch weiß, welches Wort es ist, das Master Shakespeare sucht, um sein Sonett Nr. 18 in Gang zu setzen. Es ist das Wort „Sommertag“, und eine Mainzerin ruft es rein, noch bevor Christopher Marlowe es dem jungen Mann mit der temporären Schreibblockade einflüstern kann. Marlowe wurde im Film von Rupert Everett gespielt, hui, der schönste Beleg dafür, dass er der heimliche Held ist.
Das Sonett 18, in dem es draußen immer entweder zu heiß oder zu kalt ist, passt gut zu einer der ersten Freiluftaufführungen der Saison. Es wird geschnattert, aber es wird auch gelacht im Innenhof des Mainzer Landesmuseums, wo Nora Lau für das Staatstheater eine perfekte Bretterbühne hat zimmern lassen – mit mehreren Stockwerken, Vorhängen en masse, Durchschlupfmöglichkeiten, unter Mitbenutzung eines enormen Baumes, und eine Minirutsche gibt es auch.
Ein ausführlicher Degenkampf (Kampfchoreografie: Atef Vogel) muss unterbrochen werden, damit der Gegner die Rampe herunter tippeln kann. Alle warten ab, das dauert echt ewig, aber er soll sich ja nicht wehtun. Dann wieder feste druff. Wer so etwas nicht lustig findet (es ist zum Kaputtlachen), der sollte sich tatsächlich etwas anderes vornehmen. Mark Reisig inszeniert aus dem Geiste des Slapsticks, der Improvisation und der Selbstironie, die allen gut ansteht, aber im Theater funktioniert sie besonders prächtig.
Shakespeare, in Mainz der freundliche, ein wenig schüchtern wirkende Denis Larisch, arbeitet während der Handlung an „Romeo und Julia“ und verliebt sich in eine sehr gute Partie – Lisa Eder, gar nicht schüchtern, wunderbar klug, frech und lebendig, aber schon einmal böse niedergemäht in einer Mainzer Shakespeare-Inszenierung (als Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“, krasse Sache, Wiederaufnahme Ende des Monats). Hier heißt sie Viola wie nachher die Heldin in „Was ihr wollt“, und wie diese verkleidet sie sich als Mann und gelangt so auf die für Frauen verbotenen Bretter, die die Welt bedeuten. Und wird am Ende doch an einen verblödeten Aristokraten zwangsverheiratet. Das ist realistisch, aber man hält es kaum aus.
Shakespeare jedenfalls, der berühmteste von allen, braucht die kluge Frau und den gescheiten (nachher ermordeten) Marlowe, Frederik F. Günther mit Witz und Wuschelperücke, um seine Schreibkrise in den Griff zu bekommen. Eine milde Anglistenrevanche: Im Stück wissen noch alle, dass Marlowe der Größere, der Größte ist. Um die drei herum ist zum Beispiel Katharina Uhland die herrlich haltlose Amme und die eisige Königin Elisabeth, Vincent Doddema der trottelige Wessex und der windige Investor Fennyman, Armin Dillenberger der klamme Theatermacher Henslowe, István Vincze der Prachtschauspieler Ned Alleyn. Die Kostüme: Als wären Viktoria Schrott und Lina Maria Stein einmal quer durch den Fundus gesaust. Das macht aber sicher viel Mühe. All das macht sicher viel Mühe. Ein Abend für alle, die warm genug angezogen sind und für alle, die das Theater lieben oder endlich damit anfangen wollen.
Staatstheater Mainz im Innenhof des Landesmuseums: 22., 26. Mai, 2., 4., 5., 9. Juni. www.staatstheater-mainz.com