Serge Aimé Coulibaly: „Wakatt“ – Unter der schwarzen Sonne

Serge Aimé Coulibaly und sein belgisch-afrikanisches Faso Danse Théâtre mit „Wakatt“ sind der fulminante Abschluss des Tanzmainz-Festivals.
Zwölf Tanzmainz-Festivaltage mit 18 Compagnien aus Italien, Deutschland, Belgien und Burkina Faso, Norwegen, Frankreich, Portugal, Polen und der Schweiz fanden ihr packendes Ende, als Serge Aimé Coulibaly und sein belgisch-afrikanisches Faso Danse Théâtre „Wakatt“ („Unsere Zeit“) aufführten. Dem Choreografen ging es um von der Pandemie und politischer Instabilität verängstigte Gesellschaften zwischen Ekstase, Aufruhr und Nationalismen. Wenn sich konkrete Botschaften im Medium des Tanzes sonst oft nur etwas neblig und figurativ mitteilen, kam diese tatsächlich klar und kraftvoll rüber.
Allein die Musikbegleitung durch das Rumpforchester von Magic Malik (E-Bass, Seitenflöte, Drums plus Einspielungen) hätte schon einen schönen Act beim Deutschen Jazzfestival abgegeben. Dank des Flötensounds klang das Tanzstück von 75 Minuten grob gesagt nach einer Collage von Jethro-Tull-Intros, die einem Folkjazz-Enthusiasten in die Hände gefallen schienen. Selbst Momente der Stille entfalteten Wirkung.
Toll auch das Setting (und Kostüme: Catherine Cosme) mit seiner mächtig auf- oder untergehenden Sonne oder Mondscheibe hinten, die für suggestiv-symbolische Auftritte und Abgänge als Schattenriss gut war und für Stimmungsmalerei unter der schwarzen Sonne der Melancholie. Eine konusförmig gewundene Erhebung zur Rechten glich je nach Licht (Giacinto Caponio) nacheinander einem heiligen Hügel aus Gold oder Bronze mit dantesk umlaufenden Wegen, einer angehäuften Opferstelle im Stil der alten Griechen oder einem mystischen Thron, der sich die schwarze Stoffbedeckung an einem Punkt als überlangen Rock mit der thronenden Tänzerin teilte. Von den Tänzerinnen trug eine einmal ein weißes Federkleid nebst hölzerner Kopfmaske mit schlangenförmiger Fortsetzung auf, was ihr je nach Hintergrund die Erscheinung eines Ahnengeistes oder von Big Bird gab.
Schwarze Flocken bedeckten den Boden: ein schwebendes, klebendes Spielmaterial wie traumweltliche Totenasche.
Starke Vorgaben, kurz und gut, wobei gewöhnlichere Kostüme (viele Jacken und Mäntel, ein Ché-T-Shirt für den Ersten Aufrührer, bunte Textilien westlichen Schnitts zu Bärten oder bunten Dreads) noch einzupreisen wären. Das Visuelle verlangte dem Tanzen viel ab, aber damit kam das Ensemble aus vier Tänzerinnen und sechs Tänzern im Bann der rhythmischen Musik locker klar. Eher gesetzt ging es los, dann reizte der Aufrührer Bewegung auf, indem er mit Schimpfwörtern wie „putain“ (Hure) oder „Putin“ (oh sinnhafter Gleichlaut) um sich schmiss, was die Tanzenden zu wildem Gerenne aufstachelte.
So war das Thema gesetzt und pflanzte sich im eng verwobenen Geflecht in aufleuchtende Corpsbewegungen, Zustände von Besessenheit und so weiter fort. Machtmissbrauch und Gewalt tauchten im protzigen Fellmantel und weißen Kleid eines Pärchens mit menschlichen „Hunden“ an der Leine auf, dazu in Auftritten der Maßlosigkeit („All is mine!“), Schussgesten und einer Degen-Requisite, bis die Zerrüttung zuletzt, und zu langsam, in post-ekstatische Bilder einer Wallfahrt und des Sichwälzens in der Asche überging. Wer vom Festival nur „Wakatt“ gesehen hatte, hatte viel gesehen.