„Semiotiken der Drecksarbeit“ in Frankfurt: Pythagoreische Stühlerückerei

„Semiotiken der Drecksarbeit“ klinisch monoton im Mousonturm.
Wie gern würde hier gesagt, die knapp sechzigminütige Performance „Semiotiken der Drecksarbeit“ aus dem Berliner HAU von und mit Nuray Demir (Konzept, Choreografie) und Minh Duc Pham sei im koproduzierenden Mousonturm genauso gewitzt und subversiv gewesen wie ihr Titel, und am besten noch mitreißend sinnlich. Semiotik einmal als Titelbestandteil statt nur als heimliches Rüstzeug im gedanklichen Schnürboden? Schon das allein verhieß ironische Offenheit und ließ in der Begriffspaarung mit dem Wort Drecksarbeit, das ästhetischer Theorie recht fern erscheint, womöglich an Julia Kristeva denken. Die entwarf uns den „semiotischen Einschuss“ als etwas wie eine fortgesetzte feministisch-marxistische Kannonade auf das „Symbolische“.
Ja, so oder ähnlich hätte es sein können. War es aber nicht.
Stapel, Reihen, Pyramiden
Stattdessen war das Frankfurter Publikum über lange Phasen einer ziemlich öden Moppschwingerei mit Sauberwagen-Geschubse durch Performer:in 1 und 2 ausgesetzt: einer geometrisch-pythagoreischen Stühlerückerei, die das Chaos aus hundert Plastikstühlen auf der weiß markierten Bühnenmitte zur Seite in immer neue Stapel, Reihen und Pyramiden verwandelte und wieder zurück. Der existentielle Gehalt, den das ausstrahlte, glich der Ansage „Hier, grab ein Loch. Danach wieder zuschütten“. So öde und stumm waren die Abläufe und so klinisch monoton, dass schon die stummen Kaffeepausen, thronend zugebracht auf hohen Stühlestapeln, zu Höhepunkten gerieten.
Als interpretativer Sinnstifter funkten gelegentlich lyrische Texte aus dem Off dazwischen, so das Gedicht „Mein Name ist Ausländer“ von Semra Ertan, dem wohl die Motivation für Nuray Demirs Performancearbeit entsprach. Geht Ertan mit der Missachtung der harten Arbeit von Migranten durch „die Deutschen“ ins Gericht, ohne aber Schuldfragen an den gesehenen deutsch-türkischen Handel („Mein Land hat uns ins Ausland verkauft“) zu stellen, so konzipierte die junge Regisseurin mit den kurzen schwarzen Haaren zu grau-türkisen Putzklamotten (Kostüme: Nadine Bakota) die Performance in ähnlichem Bewusstsein. So klinisch rein das Geschehen rüberkam, griff sie doch gezielt das reale Urinsteinlösen und Papierkorbleeren der Elterngeneration in Tempeln der Kultur auf, um die so verbrachten Leben bühnenwürdig zu zeigen und zugleich die ideologischen Ablagerungen der Institutionen abzubeizen, kurz: sich augenzwinkernd zu revanchieren.
Theoretisch klingt das toll. In den USA, stellen wir uns vor, wäre eine besenblitzende Revue mit impliziter Tellerwäschergeschichte daraus geworden. In Deutschland gravitiert es dazu, sämtliche je erlebten theorielastigen Performances um einen Faktor X (eine natürliche Zahl zwischen 2 und 10) zu überbieten. Wenig halfen da die bunten Banner von George Demir, die auch noch ins Spiel kamen und „Museum“ signalisierten, wobei sie doch mehr an buddhistische Tangkas oder Popart erinnerten. Gleiches gilt für die Musik (Neda Sanai) zwischen Harfe, perkussiver Elektronik und Jazzansätzen. Die Begeisterung war unterschäumend.