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„Romeo und Julia“ in Darmstadt: Hätten sie nur ein bisschen nachgedacht

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Von: Sylvia Staude

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Sie ist aufgewacht, er ist tot: Edda Wiersch und Ali Berber in Darmstadt.
Sie ist aufgewacht, er ist tot: Edda Wiersch und Ali Berber in Darmstadt. © Nils Heck

Junge Leute und ihre übereilten Entschlüsse: „Romeo und Julia“ in Darmstadt.

Eine noch unwichtigere Rolle können der sinnlose Streit und die blutigen Racheimpulse zwischen den Familien Capulet und Montague kaum spielen, als sie das nun in Christoph Mehlers Darmstädter Fassung von „Romeo und Julia“ tun. Wo man in Shakespeare einen Appell entdecken kann, die Feindschaft, die so viele Leben forderte, endlich zu begraben, wird sie hier zu einem Oops!, sorry, ich wollte ihn ja gar nicht .... Und scheint Mercutios und Tybalts Tod niemandem auf der Seele zu liegen. Tybalt war Julias Vetter und Freund? Hauptsache, Romeo ist nichts passiert, freut sich das Mädchen. Mercutio darf ausführlich über die Feenkönigin Queen Mab und ihr Fahrzeug aus einer halben Haselnuss sprechen, dem Sterbenden und beide Familien noch kurz Verfluchenden werfen die anderen kaum einen Blick zu.

In Darmstadts Großem Haus konzentriert sich Mehler also so weit wie möglich auf die berühmteste aller tragischen Liebesgeschichten. Die nicht zur berühmtesten aller tragischen Liebesgeschichten hätte werden müssen, so mag es einem in dieser Inszenierung vorkommen, wenn Romeo und Julia nur ein bisschen innegehalten und nachgedacht hätten.

Die Kostüme sind ein eklektischer Mix, die Bühne (ebenfalls von Jennifer Hörr) ist dunkel und leer, große Strecken müssen auf ihr zurückgelegt werden. Zwei beleuchtete Gazevorhang-Kreise senken sich, über Stoff und Wände huscht einige Male via Projektion das Stückpersonal, sich in bloß geisterhaften Umrissen im Tanz drehend zu Prokofjews fahlem „Tanz der Ritter“. Später senkt sich auch ein sparsamer Strahlenkranz, Mondlicht und Nachtigall oder doch schon Sonne und Lerche? Nur kurz trifft sich das Liebespaar in seiner symbolischen Mitte.

Edda Wiersch und Ali Berber sind die beiden, die an diesem knapp zweistündigen, pausenlosen Abend die immense Last tragen, die unbedingte, notwendig besinnungslose Liebe bis in den Tod darzustellen. Was nur zum Teil gelingt.

Den Coup de foudre muss sich das Publikum vorstellen, so weit hinten stehen die zwei, als sie sich erblicken. Dann sieht es zwei junge Leute, die umeinander tollen wie die Kinder. Edda Wiersch ist eine burschikose, sich Hals über Kopf in sämtliche Hoch- und Tiefstgefühle stürzende Julia – ist sie vielleicht auch ein bisschen in ihre eigenen Gefühle verliebt? Ali Berbers Romeo ist ein netter Typ, eher schwärmerisch als durchglüht und etwas planlos. Wenn Bruder Lorenzo ihm „Memme!“ hinterher ruft, schließt man sich in Gedanken an. Auch spricht Berber an diesem Abend seinen Text nach postmoderner Manier gern lässig weg, so dass man zu vieles akustisch nicht versteht. Dabei gehört die von Mehler genutzte Übersetzung Frank-Patrick Steckels nicht zu jenen, die mit Macht zeitgenössische Alltagssprache zu integrieren versuchen.

Hart die Worte Gräfin Capulets, Karin Klein, zu ihrer Tochter, aber riesig dann auch ihr Schmerz angesichts ihres Todes. Herzlich, fast kumpelhaft die Amme Gabriele Drechsels. Und unerwartet berührend des Grafen Paris’ (Béla Milan Uhrlau) Versicherung neben dem Leichnam Julias, er werde jeden Tag kommen und ihr Blumen streuen. Da erscheint seine Liebe plötzlich echter als die Romeos. Womöglich versucht dieser Abend auch genau das zu sagen: Dass sich da zwei junge Leute in etwas reingesteigert haben, was dann erst andere als legendäre Liebe deuteten.

Staatstheater Darmstadt: 3., 9., 22., 29. April. www.staatstheater-darmstadt.de

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