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Die Rabenmutter und das kalte Huhn

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Von: Sylvia Staude

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Geschenk
Das Geschenk macht nicht wirklich froh. © Martin Kaufhold

„Apologia“ im English Theatre Frankfurt fragt, ob sich eine Frau für ihre Karriere entschuldigen muss.

Welchen Preis zahlen ihre Kinder, wenn eine Frau sich engagiert und emanzipiert? Wenn sie auf Demos geht und sich entscheidet, einen anspruchsvollen Beruf auszuüben, zum Beispiel als Kunsthistorikerin. Wenn sie also ihre noch ziemlich kleinen Kinder quer durch Italien und dort in lauter alte Kirchen schleppt. Und wenn dann ihr Mann ihr die Kinder wegnimmt, weil die (Nach-68-)Zeiten trotz allem noch so sind, dass er es kann.

Der britische Dramatiker Alexi Kaye Campbell lässt in „Apologia“ eine Familienfeier – die eminente Kunsthistorikerin Kristin Miller hat Geburtstag – zur Abrechnung werden. Es ist zwar bezeichnend, dass sich Väter in den seltensten Fällen dafür rechtfertigen müssen, eine Karriere verfolgt zu haben – weder im echten Leben, noch auf der Bühne und eben auch in diesem Stück nicht. Immerhin aber vermeidet „Apologia“, das 2009 Uraufführung und jetzt im English Theatre Frankfurt in der Regie Audrey Sheffields Premiere hatte, eine allzu grobe und penetrante Wiedergabe von Rabenmutter-Klischees. Immerhin geht es auch um politische Überzeugungen und ob sie noch wichtig sind in einer veränderten Welt.

So könnte eine Komödie beginnen: Die ersten Gäste – Sohn Peter und dessen amerikanische Freundin Trudi (James Groom, Molly Gromadzki) – sind schon da, aber das Huhn steht noch im Ofen; im kalten, defekten Ofen wohlgemerkt. Kristin (Diane Fletcher) möchte, dass Peter „nach dem Ofen sieht“, Peter, ein Banker, hat naturgemäß eher keine Ahnung von solcherart Geräten. Trudi prescht indessen mit dem Geburtstagsgeschenk vor, einer afrikanischen Maske. Kunsthistorikerin Kristin gibt sich nicht gerade viel Mühe, Begeisterung zu heucheln. Die vermaledeite Maske wird rumstehen, während man schließlich chinesisches Take-away isst. Da ist es schon eine Weile vorbei mit der Komödie und der aufgesetzten Fröhlichkeit.

Es muss nicht umgebaut werden in diesem Stück: Rachel Stone, die auch die Kostüme verantwortet, hat eine geräumige Wohnküche im Landhaus-Stil entworfen. Am Massivholz-Tisch wird noch Hugh (Ian Barritt) sitzen, ein jahrzehntelanger (homosexueller) Freund Kristins, der für trockene Einwürfe und also Lacher zuständig ist. Der außerdem beglaubigt, dass sie es einst nicht leicht hatte. Und Claire (Rebecca Layoo), die Lebensgefährtin des anderen Sohnes, Simon, die recht erfolgreich ist als Schauspielerin in einer Soap, die sie aber lieber Drama-Serie nennen möchte. Simon (ebenfalls James Groom) hat psychische Probleme (na klar, die Rabenmutter!), taucht erst nachts auf, stolpert in Glas, lässt sich von der Mutter verarzten und verschwindet wieder, ehe die anderen wach werden.

Kein in der Unterschicht spielendes Kitchen-sink-Drama also, dafür ein Ernste-Gespräche-am-Küchentisch-Stück. Mit den Streitthemen von „Apologia“ ist man auch hierzulande bestens vertraut. Ist ein Banker automatisch ein Blutsauger? Ist es obszön, wenn eine junge Frau sich ein Kleid für 2000 Pfund kauft? Sollte man von der Elterngeneration Erkämpftes, und sei es auch die trotzige Abkehr von der paternalistischen Kirche, wieder aufgeben? Peter hat Trudi auf einem Gebetstreffen kennengelernt. Oh Gott, findet Kristin.

English Theatre Frankfurt: bis 5. Mai.

www.english-theatre.de

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