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Polizei jagt Mann im Rollstuhl

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Von: Sylvia Staude

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Noch auf dem Weg zur Freundschaft: Wolfram Boelzle und Stephen Appleton.
Noch auf dem Weg zur Freundschaft: Wolfram Boelzle und Stephen Appleton. © Eugen Sommer

Bad Vilbels Burgfestspiele zeigen ein etwas zu verjuxtes „Ziemlich beste Freunde“

Zwei Tage nach „Wie im Himmel“ hatte in Bad Vilbels Wasserburg schon die nächste Theaterfassung eines erfolgreichen Kinofilms Premiere: „Ziemlich beste Freunde“. Ein Stoff, mit dem das Publikum mindestens so vertraut schien wie beispielsweise mit „Romeo und Julia“. Die an starken und derben Sprüchen reiche Geschichte des vom Hals abwärts gelähmten Philippe, der bei der Auswahl eines – sagen wir: unorthodoxen – Pflegers genau den richtigen Griff tut, war schon im Frankfurter Rémond-Theater zu sehen und wird in diesem Sommer auch noch in Heppenheim laufen.

Philippe ist reich und lebt in Paris, darum ist in Bad Vilbel nun im Bühnenhintergrund ein Paris-Prospekt zu sehen und davor eine überlebensgroße Sitzgruppe mit rollbaren Teilen (Ausstattung: Thomas Unthan), die auch manchmal – etwas umständlich – bewegt werden. Das Autorennen, das sich Driss und Philippe mit der Polizei liefern, findet hier als Rollstuhl-Wettlauf statt. Und in einer Szene, in der die beiden mit dem Fallschirm abspringen, müssen es eine Nebel- und Windmaschine rausreißen.

Susanne Buchenberger und Martin Müller decken zu zweit alle Nebenrollen ab. Regisseurin Mascha Pitz macht sie manchmal zu argen Witzfiguren – glücklicherweise doch anders als Philippe, Wolfram Boelzle, und Driss, Stephen Appleton, die nur in Maßen zu übertreiben brauchen. Die Kunsthändlerin macht erstmal stumm Turn- und Aerobicübungen (Motto: Menschen, die mit Kunst zu tun haben, sind total überkandidelt?). Der Polizist rutscht, quält sich das Geländer runter. Der Pfleger, der Driss anlernt, tut das ausholend und gestikulierend, als weise er Flugzeuge ein. Der Masseur hebelt an Philippe rum, als sei dieser ein Einarmiger Bandit. Seltsam. Und unnötig verjuxt. Als schließlich in den Räumen des Gelähmten eine Party stattfindet, soll das Publikum Musiknummern raten.

Aber „Ziemlich beste Freunde“ war auch deshalb so erfolgreich, weil Witz und Pathos klug verteilt wurden, weil der Film-Philippe zwar vielleicht von Langweilern und Pedanten, aber nicht von Comicfiguren umgeben ist.

Wolfram Boelzle hat als Philippe-Darsteller den Vorteil, beim Rumgealbere nicht mittun zu müssen. Er macht seine Sache gut, wenn Bitternis aus ihm spricht, wenn Hoffnung aufleuchtet, wenn er aus vollem Herzen lacht (meist über sich selbst). Und Stephen Appleton ist ein robust körperbetonter Driss, der aber auch mal durchblicken lassen kann, wie sehr es ihn ankotzt, dass man ihn als jungen schwarzen Mann sofort in eine Schublade steckt. Wie reizend er sich freut, als er mal mit Obama verglichen wird.

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