Nachruf auf Peter Jonas: Mit dem Saurier kam die Zeitenwende

Sir Peter Jonas, der in München die Staatsoper gehörig durchlüftete, stirbt mit 73 Jahren.
- Peter Jonas stirbt mit 73 Jahren
- Ehemaliger Intendant reformierte Oper in München
Der Dinosaurier, er prägte nicht nur die Kreidezeit und das Tertiär, auch die der Ära Jonas: Das Münchner Premierenpublikum tobte am 21. März 1994, als eine turmhohe Riesenechse im ersten Akt von Georg Friedrich Händels Oper „Giulio Cesare“ auf der ansonsten nackten Bühne der Bayerischen Staatsoper stand, wankte und niedersank.
Der vom Bühnenbildner Nigel Lowery gestaltete Dino, dessen tiefere Bedeutung die Intendanz damals noch per Einlegezettel dem Publikum begreiflich machen wollte, entfesselte ein zuverlässiges Buhgewitter auch noch viele Vorstellungen später, und das Münchner Opernestablishment projizierte seinen Groll auf den Chef des nun so verschandelten Opernhauses: auf den wenige Monate zuvor erst angetretenen Briten Peter Jonas. Einen Intendanten, der die gediegene Opernwelt der Landeshauptstadt gehörig aufrüttelte, sie modernisierte, entschlackte, emotionalisierte. Der das traditionsverliebte Mozart-Wagner-Strauss-Haus mit der damals noch ganz staatsopernfernen Barockoper bekanntmachte, mit Händel, Cavalli und Monteverdi. Und dem niemand wirklich lange böse sein konnte, weil Sir Peter Jonas einfach ein toller Typ war. Elegant und humorvoll, spleenig und charismatisch. Geistreich und mitten im Leben, seine Liebe zum Fußball und zum Kino waren ebenso legendär wie sein Sinn für lebendiges Musiktheater. Am Mittwoch starb er im Alter von 73 Jahren.
Sir Peter Jonas, der 1946 als Sohn eines Deutschen und einer Engländerin mit schottischen und spanisch-libanesischen Wurzeln in London geboren wurde, arbeitete zunächst für Sir Georg Solti und das Chicago Symphony Orchestra. Bevor er 1993 Intendant in München wurde, hatte er zehn Jahre lange die English National Opera geleitet. Was er dann in München auslöste, kam einer Revolution gleich: Barockopern sollten bei ihm kein Nischenrepertoire auf Gastspielebene sein, sondern vom hauseigenen Orchester gestemmt werden, der junge Dirigent Ivor Bolton war dabei seine wichtigste Kraft. Was heute übliche Praxis ist, wurde damals noch bestaunt oder belächelt: Beamtete Opernmusiker an Naturtrompeten, daran musste man sich erst gewöhnen. Seine zweite feste Säule am Pult hieß ab 1998 Zubin Mehta, diese beiden Dirigenten waren das Rückgrat von Jonas’ Münchner Opernrenovierung.
Sir Peter Jonas ist tot - Ein Intendant, für jeden Scherz zu haben
Nicht nur das Alte, auch das Neue hatte plötzlich Platz am Max-Joseph-Platz. 14 Uraufführungen gingen hier über die Bühne, und wer nicht den Weg ins Nationaltheater fand, der wurde von Sir Peter mit der kostenlosen „Oper für alle“ im Freien beglückt.
Nicht nur bei den Dirigenten zeigte sich der Intendant treu und hellsichtig zugleich. Edita Gruberova bekam viel Raum, denn Jonas liebte den Belcanto. Regisseur David Alden sorgte für eine Art Hausstil, die junge Anja Harteros durfte hier singen, was sie wollte.
Der Intendant, der für jeden Scherz zu haben war – hier selbstbewusst im Schottenrock, dort sich nicht zu schade für ein Pas de deux bei einer Silvester-„Fledermaus“ –, hatte aber auch bitterernste Momente genug. Schon vor 45 Jahren gaben ihm Ärzte nur noch eine Lebenserwartung von Monaten, der Krebs wurde sein lebenslanger Begleiter. Im August 2018 dann schrieb er selbst in einer Rundmail vom aktuellen Befund, „einem großen, schnell wachsenden, bösartigen Tumor in meinem Brustkorb (an der Stelle meines ersten HD-Lymphoms im Jahre 1976!) und einem kleineren Zweittumor in meiner Flanke“.
Der große Theatergeist, der nach seiner Münchner Amtszeit die Konzertmeisterin des Bayerischen Staatsorchesters heiratete und mit ihr zu Fuß von Schottland nach Palermo wanderte, hatte bereits einen Plan für den Fall, dass der Krebs wieder vor der Tür stehen sollte – er hat ihn 2016 der „Süddeutschen Zeitung“ verraten. „Wenn einmal doch der Tod kommen sollte, dann würde ich mit ihm Schach spielen wie in Bergmans Film ‚Das siebente Siegel‘. Und wissen Sie was? Ich würde betrügen!“