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Peeping Tom „Triptych“: Die Dunkelheit im Menschen

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Von: Sylvia Staude

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Szene aus „Triptych“ von Peeping Tom. Foto: Virginia Rota
Szene aus „Triptych“ von Peeping Tom. Foto: Virginia Rota © Virginia Rota

Peeping Tom sind in Wiesbaden zu Gast und zeigen „Triptych“.

Auf einem weiten, sehr eigenen Terrain zwischen Spuk und Slapstick lagen die Stücke von Gabriela Carrizo und Franck Chartier, alias Peeping Tom, schon immer (sie waren einst im Mousonturm zu Gast). Freilich scheinen die Arbeiten der beiden im Laufe der Jahre dunkler geworden zu sein. Das Hessische Staatsballett lud die in Belgien beheimatete Company Peeping Tom jetzt ins Staatstheater ein, im Großen Haus war „Triptych“ zu sehen, eine Kombination dreier für das Nederlands Dans Theater entstandener Stücke: „The missing door“, „The lost room“, „The hidden floor“.

Wie die Titel andeuten, haben die Menschen bei Peeping Tom immer auch mit ihrer Umgebung zu kämpfen, die trotz ihrer realistischen Anmutung bis hinunter zum Nachtkästchen ein befremdliches Eigenleben entwickeln kann. Das beginnt in „Triptych“ mit Putzlappen, die davonspringen wie scheue Tierchen, geht über sich verschiebende Kleiderschränke, so dass plötzlich auch auf dem Balkon Kleider hängen, den Weg ins Freie versperren, bis zu stürmisch auffliegenden und sich krachend wieder schließenden Türen. Tänzerinnen und Tänzer werden hindurchgeweht, purzeln übereinander, alle ihre Gliedmaßen wirbeln durcheinander, Körper werden gewendet wie Herbstblätter.

Der Tanz ist hier höhere Artistik, im Fallen und sich dabei in alle Richtungen Drehen muss das Ensemble äußerst versiert sein. Gleichzeitig sieht es nämlich aus, als steuerten diese Menschen nichts davon selbst, als spiele eine mysteriöse, brutale Macht mit ihnen, schleudert sie dahin, wirft sie dorthin, schlenkert mit den Armen, verknotet die Beine. Manchmal scheinen die, mit denen solches passiert, bloß erstaunt darüber. Manchmal verzweifelt. Hinnehmen müssen sie es allemal – zuletzt sogar durchs Wasser schlittern, auch dort herumgeworfen von einem Sturm.

Durchaus darf man bei Peeping Tom davon ausgehen, dass diese Menschen von ihren eigenen Dunkelheiten geplagt, von Ängsten buchstäblich geschüttelt werden. Männer tragen blutbefleckte Hemden. Eine Frau, womöglich ermordet, wird rausgeschleift. Ein Baby schreit, eine andere Tänzerin trägt es besorgt herum, es wird ihr weggenommen. Ein Bett verschluckt Akteurinnen. Akteure werden aus dem Fenster ins Meer gekippt. Ein Paar liebt sich wild, am Rande der Hysterie. Ein Tänzer schmeißt sich eine Kollegin über die Schulter, hantiert dann mit ihr wie mit einer Puppe. Eine Frau flüchtet in Unterwäsche auf den Balkon und kann nicht mehr zurück, als es zu schneien beginnt. Am Ende ist sie starrgefroren.

Es ist schon auch ein bisschen lustig, wenn die zu Eis Gewordene aufs Bett gekippt und fürsorglich zugedeckt wird. Aber die Welt in diesen „lost“, verlorenen Räumen ist eine alpgeträumte, einerseits kurios, andererseits bedrohlich. Stets kann alles passieren, können die eigenen Gedanken und das Leben einen herumwirbeln, von den Füßen reißen.

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