„Neue Horizonte: Eternity für alle!“
andcompany&Co. mit dem Arbeiter*innentheater im Mousonturm
Von Stefan Michalzik
Kapitalismus oder Sozialismus – die technologischen Utopien der Nachkriegsjahrzehnte nahmen sich nicht viel. Damals wie heute ist die Optimierung der Prozesse ein fundamentales Thema gewesen. Für sein Stück „Neue Horizonte: Eternity für alle!“ hat das Performancekollektiv andcompany&Co. Veteranen vom Arbeiter*innentheater Schwedt auf die Bühne zurückgeholt zwecks Besichtigung eines Kapitels aus der technologieoptimistischen Nachkriegsmoderne. In den Sechzigern ist in der DDR ein gewaltiges ,,Petrolchemisches Kombinat“(PCK) in der Kleinstadt Schwedt aus dem Boden gestampft worden. Das Rohöl wurde via Pipeline aus Sibirien angeliefert und ging von 1970 an auch in den Westen.
Gebastelte Landschaft
Retrofuturistisch präsentiert sich die wie gebastelt anmutende Bühnenlandschaft. Hölzerne Raumkapseln, Sprachrohre wie auf alten Dampfern, Camping-stühle. Rundum eine elektronisch/perkussive Bordkapelle. Die Kapseln dürften den Coronabedingungen geschuldet sein, Premiere am Berliner HAU war im Oktober 2020.
Der Ansatz ist der eines rekonstruierenden Dokumentartheaters. Da sind die Berichte der einstigen Arbeiterschauspielerinnen und -schauspieler – vier Frauen auf der Bühne und drei Männer via vorproduzierter Videoeinspielung – von Werden und Praxis des Werkes. Flankiert durch Schwarzweißbilder unter anderem von den Industrieanlagen und den neu errichteten Wohnsiedlungen.
Angelpunkt ist eine preisgekrönte Aufführung des Arbeitertheaters. „Horizonte“, verfasst von dessen Leiter Gerhard Winterlich. Da geht es um die Anwendung der Kybernetik auf die industriellen Prozesse und die Auswirkungen auf die Arbeitswelt. In seiner popkulturell geprägten Leichtigkeit und der planvollen Durchwirbelung ist der Abend von andcompany&Co. – Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulimma – weitreichend präzise gearbeitet. Ausgerechnet die Rolle der jungen Befragerin der Zeitzeugen allerdings – Luise Meier – ist eine mitunter nur zu alberne. Generation Tiktok trifft Generation Lochkarte, die Pioniere der computerbasierten Vernetzung, die heute in einer – Stichworte Hass und Verschwörungstheorien – mitnichten uneingeschränkt segensreichen Weise die Welt prägt. Da sollte sich Subtileres daraus schlagen lassen.
Dass der Abend Freude macht, ist vor allem das Verdienst der Profiamateure des Arbeitertheaters. Es gehört zum Wesen der Erinnerung, dass immer ein Maß an Verklärung mitschwingt, doch zeichnen sich die Schauspieler und Schauspielerinnen als Bühnenfiguren ihrer selbst in erster Linie durch einen analytisch klaren Blick auf das Gewesene als soziales Experiment aus.