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„Maria Stuart“, getanzt in Karlsruhe: Und da schlagen sie die Hände vors Gesicht

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Von: Sylvia Staude

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Leicester und seine katholische Königin: Ledian Soto und Bridgett Zehr. Yan Revazov
Leicester und seine katholische Königin: Ledian Soto und Bridgett Zehr. Yan Revazov © Yan Revazov

Bridget Breiners etwas altbackenes „Maria Stuart“-Ballett nach Schiller.

Rar geworden sind in der Tanzwelt die Versuche, ein neues Handlungsballett zu schaffen, womöglich noch nach einer literarischen Vorlage. Vom Publikum werden diese großen, in der Regel vom zuständigen Orchester begleiteten Abende geliebt, das zeigte jetzt in Karlsruhe Bridget Breiners „Maria Stuart“. Schwer zu vermeiden ist allerdings eine gewisse Altbackenheit, die aus zu viel Ausstattung, aber vor allem zu viel Verwendung von Gesten und der seit Jahrhunderten gängigen Ballett-Pantomime entstehen kann. Auch Bridget Breiner greift darauf zurück, aufs besonders bedeutende Hinweisen und deutliche Kopfschütteln, aufs Hand-abwehrend-Ausstrecken und Hände-vors-Gesicht-Schlagen.

Um dem Publikum zum Beispiel zu erklären, dass zwei der Herren am Hof heimlich katholisch sind, tragen Leicester und Mortimer ein Kreuz hin und her, her und hin. Oder reißen sich das Hemd auf, um ein Kreuz zu enthüllen. Um zu zeigen, dass es um die Unterschrift unter das Todesurteil geht, muss Elisabeth lange mit einem überdimensionalen braunen Papier tanzen. Reichlich auch das demonstrative Schwenken eines Henkerbeils.

Als Ballett nach Friedrich Schiller ist Breiners „Maria Stuart“ angekündigt. Das bedeutet aber auch, dass die Karlsruher Ballettchefin eine Fülle von Figuren übernimmt, die sie dann charakterisieren muss – verständliche Mühe hat sie mit all den Höflingen, die sie oft als Gruppe mit den gleichen oder ähnlichen Bewegungssequenzen auftreten lässt. Dazu kommen eine Gauklertruppe, Volk, „Turnier-Damen und -Herren“. Prächtig ist die Einkleidung von Jürgen Franz Kirner, reizvoll seine Idee, Vorhänge aus Metallketten von der Decke hängen zu lassen, die manchmal ominös klirren. Weniger reizvoll eine pseudogetäfelte Wand, die den Aktionsraum auf einen Bühnenstreifen im Vordergrund verkleinert.

Dort eröffnet ein ausdrucksvolles Duo zwischen Elisabeth, Sophie Martin, und dem Henker, Baris Comak. Wie überhaupt die Pas de deux – der unentschiedene Leicester, Ledian Soto, tanzt hingebungsvoll sowohl mit Elisabeth als auch mit Maria Stuart, Bridgett Zehr – das Beste an diesem mit Pause zweieinhalbstündigen Abend sind. Übertroffen höchstens noch von der Szene, in der sich die endlich aufeinander treffenden Elisabeth und Maria gegenüber knien – ja, knien, und ihren Disput Auge in Auge und originell gestikulierend austragen.

Aber sobald sie aufspringen, sobald auch dies in eine Ensembleszene übergeht, greift die Choreografin so sehr auf Standardkost zurück, dass man sich vorstellen kann, wie es letztlich in jedes Ballett passen würde. Selbst das Gauklerquartett tut nichts anderes, als ein bisschen übereinander zu purzeln und zu rollen.

Der Schotte, der Engländer

Die Musikauswahl tut nicht viel dazu, dem Abend einen moderneren Anstrich zu geben: Benjamin Britten, den Engländer, und James MacMillan, den Schotten, stellt man mit „schottischen und englischen Klangwelten“ gegeneinander – die allerdings so anders nun nicht sind. Immerhin wird der Staatsopernchor geschickt in die Szenen am Hofe eingebaut, etwa mit Brittens „Ceremony of Carols“. Unter der Leitung Dominic Limburgs begleitet die Staatskapelle mit Verve und Umsicht.

Wucht und Pracht wird aufgeboten, alles ist außerdem solide und einsichtig gefügt, die Dramaturgie stimmt – und man könnte es auch traditionell nennen. Aber eine Uraufführung im Jahr 2023 sollte vielleicht doch nicht wirken, als habe man sie haargenau so bereits vor dreißig oder vierzig Jahren sehen können. Und das ist vor allem ein Problem der Choreografie selbst, des fehlenden Wagemuts bei der Körpersprache, beim Bewegungsvokabular. Hier hätte ein wenig aus der Reihe getanzt werden müssen.

Badisches Staatstheater Karlsruhe: 20., 29. April, 7. Mai. www.staatstheater.karlsruhe.de

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