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Bei Lichte betrachtet

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Pamina, umlauert, aber auch sanft beschienen.
Pamina, umlauert, aber auch sanft beschienen. © Stephan Ernst

Eine höchst unterhaltsame „Zauberflöte“ am Staatstheater Darmstadt.

Glücklich kombiniert das Staatstheater Darmstadt in seiner neuen „Zauberflöte“ das Unterhaltsame mit dem Nachdenklichen, halbwegs Nachdenklichen. Außerdem das Ausstattungsmärchen mit einem buchstäblich handgemachtem Theater. Außerdem den kindlichen Blick mit den Gegebenheiten des Erwachsenenlebens. Hierbei schaut man aber zur Abwechslung einmal nicht in Abgründe.

Zum Erwachsenenleben gehören beispielsweise Konferenzen, in denen der Chef offenbar stundenlang Koreanisch redet. Die anderen Herrschaften sehen etwas zermürbt aus. Sie kennen ihren Platz, manchmal wird gemuckt, aber mit Vorsicht. Bei der Abstimmung (darüber, ob Tamino zu den Prüfungen zugelassen werden soll) üben Sarastros Leute diskret Druck aus. Ja, den kichernden Erwachsenen im Publikum kommt das wohl irgendwie bekannt vor. Will man also erwachsen werden? Um der Liebe Willen anscheinend schon (nur die Initiation führt zu Pamina), und Jung-Tamino zögert nicht. Die Zuschauer aber lässt der vergnügte und sehr bewegliche Kinderkammerchor des Staatstheaters durchaus an den Vorzügen des Großwerdens zweifeln.

Die beiden Regisseure, Intendant Karsten Wiegand und Dirk Schmeding, nehmen es leicht, aber nicht zu leicht. Sie gönnen sich und uns den Blick gewissermaßen von außen, den die Jungen und Mädchen auf Sarastros und Taminos Welt werfen, während sie zugleich Strippenzieher, Bühnenbildner, gelegentlich Übersetzer und außerdem die drei Knaben sind. Die werden entsprechend wie üblich hauchfein gesungen, aber von einer beträchtlichen Menge. Schön und Hänsel-und-Gretel-haft.

Sie kommen, in netten pastellfarbenen Kinderkleidern (Kostüme: Andrea Fisser), aber keck und neunmalklug, gleich nach dem Orchester rein. Sie dirigieren schon mal ein bisschen (geht so) und befragen das Publikum (wollen Sie lieber einen Dirigenten?, ja, wäre uns schon lieber; ein Bühnenbild?, gerne; schöne Kostüme?, nur zu). Dann sieht man auf der vorerst schlichten Bretterbühne (Bärbl Hohmann), wie Tamino und Pamina eben noch so sind wie sie, Kinder, und in der nächsten Szene deutlich größer und an anderem interessiert. An der Liebe zum Beispiel. Die Kinder bereiten unterdessen das erste Bühnenbild vor, Pflänzchen und eine asiatisierende Vase, per Projektor vergrößert an die Rückwand der Bühne geworfen, ergeben eine ordentliche Märchenwelt. Die kleine schwarze Schlange in Mädchenhand findet sich als Trumm auf der Bühne wieder, groß genug, Tamino bis zur Hälfte geschlungen zu haben.

Von der kleinen Fantasie auf die große Bühne – die Inszenierung besteht jedoch auf Dauer nicht auf dem spielerisch Selbstgestrickten, und sie strapaziert klugerweise auch die Auftritte des Kinderchors nicht über. Es gelingt ihr aber, durch beides eine fidele, unverkrampfte Luftigkeit zu vermitteln, die dann nicht mehr minütlich bestätigt werden muss. Sie steht Mozarts Musik und Schikaneders Text.

Auch machen die Erwachsenen gut mit, die in Darmstadt ein wenig weihnachtsmärchenhaft bleiben müssen, aber sich in diesem Rahmen quicklebendig tummeln. David Lees Tamino ist wahrhaft ein Bürschlein, und oft versteht er die Welt nicht mehr, aber sein Tenor wirkt unangestrengt, wie auch der melancholische Sopran seiner Pamina, Jana Baumeister. Julian Orlishausens Papageno ist als anständiger Vogelhändler ein unbelehrbarer Luftikus, stimmlich aber fundamental. Seine Papagena, Aki Hashimoto, zwitschert allerliebst dazu, nachdem Elisabeth Hornung als alte Papagena prächtige Selbstironie vorführt. Die Königin der Nacht ist bei Rebekka Maeder eher eine weißhaarige Punkgöre, die so tut, als wäre sie schlecht zu Fuß. Strahlende Akkuratesse lässt sie hören, hierbei unverhohlen jung. Johannes Seokhoon Moons nicht sehr durchschlagender, aber sehr kultivierter Sarastro lässt sich nicht in die Karten blicken.

Manchmal mag man sich ein bisschen mehr Psychologisierung wünschen, dann aber erfreut auch wieder die Gelassenheit in der Personenführung, nicht zu verwechseln mit Gleichgültigkeit. Im Gegenteil, die Begegnungen haben Witz und Präzision, auch wenn die drei trefflichen Damen, Katharina Persicke, Katrin Gerstenberger und Anja Bildstein als energische Knirpse auf Straußenvögeln heranreiten. Dirigent Rubén Dubrovsky befördert den gepflegten Gesang mit einem flotten, zuweilen rasanten, aber nie lärmigen Orchesterklang.

Weihnachtsmärchenhaft dann wieder die Prüfungen für Tamino und Papageno, die auf einer schrägen Schwebefläche zurande kommen müssen. Es ist der Sorgfalt zu verdanken, die über allem liegt, dass das selten banal und fast immer unterhaltsam, intelligent und licht wirkt. Auch dies eindeutig: Bestandteile der Aufklärung.

Staatstheater Darmstadt: 10., 16. November. www.staatstheater-darmstadt.de

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