Landungsbrücken: Die KI löst unsere Probleme

„Lying to Myself in Bed“ von neco_nart im Theater Landungsbrücken.
Hoffentlich schreckt dies keine Zuschauer ab, doch mit „Lying to Myself in Bed“ ist Björn Fischer (Idee, Text, Leitung) und Elisabeth-Marie Leistikow (Performance) von neco_nart ein ziemlich intelligentes Stück gelungen. Ironie und Sarkasmus als Teil der künstlerischen Haltung mögen zugleich etwas jugendlich Unreifes haben. Ein wahres Ausprobier-Stück eben, das nicht umsonst mit dem viral gegangenen britischen Wort des Jahres 2022 spielt: „goblin mode“. Besagter Kobold-Modus bezeichnet „die Ablehnung gesellschaftlicher Erwartungen und das ungepflegte, hedonistische Leben ohne Rücksicht auf das eigene Selbstbild“.
So schläfrig aufgeweckt und selbstironisch geht „Lying to Myself in Bed“ in der Tat an die Sache heran. Spielerisch ist schon das „Lying“ im Titel. Wenngleich sich der Zuschauer in einem Spielraum aus 25 Sitz- und Bettstellen in geometrischer Anordnung wiederfindet und nach wenigen Minuten instruiert sieht, den Rest der 90 Minuten dösend im Liegen wirken zu lassen, ist „Lying to Myself in Bed“ doch kein bloßes Sleep-In: trotz einlullender Worte aus dem Off und der loungig-diversen Soundscape von Antonia Kessler.
Es ist auch eine Performance über das Lügen, die gern falsche Spuren auslegt, sich vor allem aber auf die vielumraunte GPT-Chat-App beruft: das weite Feld der KI (Künstliche Intelligenz) und der automatischen Textgenerierung. Als Gründe werden „Schlafmangel, Faulheit, Innovation und die Möglichkeiten von Morgen“ benannt. Das Stück selbst sei teilweise maschinengeneriert, was prinzipiell glaubhaft, aber in concreto schwer zu beurteilen ist, so schwer wie die Frage nach dem Überschreiten der Bewusstseinsschwelle im berühmten Turing-Test von Alan Turing. Der Enigma-Erfinder nannte die von ihm erdachte Testsituation (ist der im Nebenraum versteckte Antwortgeber Mensch oder Computer?) auch „Imitation Game“, was in „Lying to Myself in Bed“ gleichfalls zum Tragen kommt.
Ein Stück mit apokalyptischen Untertönen also, dessen „kein Zurück mehr!“ das „No Future“ des Punk im Sinne eines „Nur noch Zukunft“ aufgrund neuer KIs überholt und diese neue Ära vorsorglich schon mal feiert. Oder so tut als ob, denn: „Geschichten über das Ende sind so beliebt wie lange nicht mehr.“ Ein nietzscheanischer Tanz über dem Abgrund zum Takt von Schlafliedern ist das, der noch von traulicher Geborgenheit in der Bettruhe weiß; sollten Probleme auftauchen, während wir liegen und träumen, wird die KI sie lösen. Der aber auch überall Deepfakes wittert und niemanden davon ausnimmt, denn unsere Reise in die Welt von morgen hat, nach der Logik des Stücks, längst begonnen und das Universum ist auch nur eine Holographie. Zuguterletzt ist und bleibt der Abend verschämt selbstbewusst eine Show, die uns gleichsam nebenher einschärft: wenn schon Weltende, dann bitte nachhaltig und müllgetrennt.
Landungsbrücken Frankfurt: 11., 12. Februar. www.landungsbruecken.org