1. Startseite
  2. Kultur
  3. Theater

„Kosmos – schwerelos“ in Mannheim: Die Außerirdischen und der Yeti

Erstellt:

Von: Sylvia Staude

Kommentare

Kurioses Wesen in ihrer Mitte: Szene aus „Schwere los“.
Kurioses Wesen in ihrer Mitte: Szene aus „Schwere los“. Foto: Maximilian Borchardt © Maximilian Borchardt

Furiosen Tanz träumen: Der Doppelabend „Kosmos – schwerelos“ in Mannheim.

Gern denkt man, dass die Weiten des Alls eine weitgehend stille Sache sind, es gibt ja so viel Abstand (und er wird immer mehr) zwischen den Sternen, Planeten, Kometen, Schwarzen Löchern, Milchstraßen und was da noch so alles rumschwirrt. Im „Kosmos“ des griechischen Choreografen Andonis Foniadakis geht es allerdings ganz schön turbulent und dränglerisch zu. Da ist die Musik von Julien Tarride über weite Strecken eine Dampfmaschine des Rhythmus. Da treibt die Choreografie die Tänzerinnen und Tänzer des Mannheimer Nationaltheater-Ensembles in einen Bewegungsfuror. Wenn sie (kurz!) mal stehen, kann man ihren Atem deutlich hören.

Mannheims Tanzchef Stephan Thoss hat „Kosmos“ (uraufgeführt 2014) von Andonis Foniadakis jetzt mit einem neuen Stück von ihm selbst zusammengespannt, „Schwere los“. Gezeigt werden muss das jetzt im „NTM Tanzhaus“, Ausweichquartier während des Umbaus des Nationaltheaters: es hat einen stark alternativen Touch, in der Pause gibt es im schmalen Foyer Getränke gegen eine Spende, auch Schalen mit Knabberzeug, aber auf der nicht üppigen Bühne wirkt das Ensemble gelegentlich etwas bedrängt. Was auch an den beiden flotten, an Bewegungsfuror nicht sparenden, gern mal raumgreifenden Choreografien liegt.

„Kosmos“ ist, wie schon erwähnt, ausgesprochen wirbelig in seinen Sequenzen, dabei in allem Rennen und Springen geschmeidig, kraftvoll-elegant. Wumms hat die Musik Tarrides – bis zuletzt ein zartes, Sternenstaub-artiges Flimmern auf die nun spärlich hautfarben eingekleideten Tänzerkörper projiziert wird (Video: ebenfalls Tarride). Zuvor schmückt das Ensemble ein schimmerndes Nachtblau (Kostüme: Anastasios Sofroniou). Der Erde scheinen diese sexy und unermüdlich Auftanzenden tatsächlich nicht verhaftet zu sein. Wenn sie zuletzt wie aus flirrenden Partikelchen zusammengesetzt sind, denkt man vollends an Außerirdische – wohlwissend, dass sich auch in jedem Menschen nur Atome zu etwas fügen, was wir als Körper begreifen.

Der mit Pause anderthalbstündige Abend beginnt mit „Schwere los“, auch dieses tänzerische Treiben scheint sich eher auf einem anderen Stern abzuspielen. Unter das wie für eine mondäne Party angezogene Ensemble mischen sich zwei Paare, die als Kreuzung zwischen einem Yeti und einem Waldschrat daherkommen – wenn letzterer es außerdem mit einem Moospolster (dunkles Paar) beziehungsweise einer Blumenwiese (buntes Paar) getrieben hat. Gern würde man über die aufgenähten Puscheln streichen. Und könnte sich auch gut vorstellen, diesen Kostümen (Thoss, Romy Liebig) in einer Aufführung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ wiederzubegegnen, im Elfenreich.

Auch um Thoss’ Tänzerinnen und Tänzer ist viel Zwielicht, auch bei „Schwere los“ sollte man sich erst gar nicht die Frage stellen, ob es etwas bedeutet – außer der Freude am puren Tanz und an seinen schillernden, vielfältigen Zwischentönen. Diese Möglichkeit hat der Tanz (wie sonst nur die Musik), dass er Stimmungen kaum merklich verschieben kann, lediglich mittels der Qualität der Bewegung.

Stephan Thoss hat sich musikalisch für Annie Gosfield entschieden, die einmal „Meisterin des musikalischen Feedbacks“ genannt wurde, es knispert und knuspert; dann für den Organisten und Komponisten Kjell Mork Karlsen – und zuletzt, wenn Farbe und etwas mehr Helligkeit in seinen Kosmos einziehen, für das Adagio aus Bachs Konzert in D-moll, BWV 974. Die Musik beeinflusst einerseits den Weg, den diese Choreografie nimmt, aber Thoss ist auch niemand, der sich zu sehr in Abhängigkeit begibt.

„Kosmos – schwerelos“, so der Übertitel, ist ein Doppelabend, der einen davonträgt, so lange man nicht versucht, zu viel in ihn hineinzulesen. Man kann diese beiden Stücke wie einen Traum vorbeiziehen lassen. Und wie immer ist es eine Freude, dem exzellenten Ensemble zuzusehen.

NTM Tanzhaus im Käfertal : 17., 19., 23., 26. Februar, 10., 22., 23. März. www.nationaltheater-mannheim.de

Auch interessant

Kommentare