Koreanisches Nationalballett: Die Eleganz der Piraten

Das Koreanische Nationalballett zeigt „Le Corsaire“
Ein stehende Ovationen spendendes Publikum könnte durchaus darauf hinweisen, dass eine Lust auf klassisches Ballett besteht, die jedenfalls im Rhein-Main-Gebiet nicht mehr befriedigt wird – aus naheliegenden Gründen zur Zeit nicht mal mehr mit „Schwanensee“ vom Russischen Staatsballett. Kurios, dass also das Koreanische Nationalballett kommen muss, eingeladen zu den Maifestspielen des Wiesbadener Staatstheaters, um einen äußerst gepflegten „Le Corsaire“ zu zeigen. Die Choreografie von Marius Petipa wurde dafür von Jungbin Song etwas bearbeitet. Die Ausstattung (Luisa Spinatelli, neben Komponist Adolphe Adam der einzige westliche Name im Programm) ist allerdings der Schrecken der Weltmeere: Prospekte mit hohen braun-rosa Wellen, ein Schiff auf Felsen, obenrum eine Spitzenbordüre, im Königreich Margentos Blumengirlanden und Amphoren, im Piratenlager zipfelige Röcke im Gipsy-Schick.
Aber womöglich wollte das Nationalballett aus Südkorea auch eine Tradition quasi im Original pflegen, die im Westen inzwischen auch bei klassischen Ballett-Inszenierungen, um im Seefahrt-Bild zu bleiben, lieber umschifft wird. Hier mag man es in der Regel heute schlichter, wirken der Pomp und solche Hintergrund-Prospekte veraltet.
Kann man davon ausgehen, dass die 1962 ausdrücklich als Ballettkompanie gegründete Truppe in ihrer Heimat nicht bedrängt wird, obwohl sie nichts „Koreanisches“ aufführt? Auch die zeitgenössischen Stücke des Repertoires kommen aus dem Westen, von Christian Spuck, Patrice Bart, Jiri Kylián etwa. Werfen besorgte Koreanerinnen und Koreaner ihrem Nationalballett vor, kulturelle Aneignung zu betreiben? Oder sind sie stolz, dass man in dieser Kunst mithalten kann?
Denn das kann das offenbar minutiös und ehrgeizig trainierte Ensemble und bringt es zur Geltung. „Le Corsaire“, 1856 uraufgeführt, beruht auf Byrons Gedicht „The Corsair“ und erzählt von Kampf, Liebe, Verrat, verwunschenen Inseln. Für die berühmten Ballerinen der Zeit wurden in die Choreografie zahlreiche intrikate, abwechslungsreiche Variationen eingefügt; besonders Medora, vom Korsaren aus Liebe befreit/entführt, ist gefordert. Leider scheint es in Korea nicht üblich zu sein, die Ausführenden der Solo-Rollen zu nennen.
Aber sie sind leicht wie eine Feder, scheinbar anstrengungslos, die Koreanerinnen, während die Männer durch Quecksilbrigkeit und Sprungstärke bestechen – hier allen voran der Tänzer des Ali. Zwölf Männer, zwölf Frauen bilden in der Regel die Ensembleszenen, die Präzision ist bestechend. Choreograf Jungbin Song legt auf jedes Detail wert, wenn der Hof oder das Piratenvölkchen eigentlich nur zusehen, begleiten sie das Geschehen trotzdem mit unerschütterlichem Interesse.